Kaiserslautern Die Heimkehr

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Keine Frage, sie haben das sichtlich genossen. Eine wahrhaft triumphale Rückkehr der teilweise verlorenen Söhne war das nämlich. Mitten ins Zentrum dieser Stadt, der sie nicht nur ein Lied gewidmet haben, von der sie jedoch zuletzt mit eher wenig Liebe bedacht worden waren. Und jetzt das: Zwei ausverkaufte Konzerte an einem Wochenende im Ehrenhof des Schlosses mit jeweils rund 14.000 begeisterten Fans, die gemeinsam mit den Söhnen Mannheims und vielen ehemaligen Weggefährten das 20-jährige Bestehen des erfolgreichsten Mannheimer Musikexports feierten.

Tatsächlich schien auch etwas Genugtuung mitzuschwingen, als Xavier Naidoo feststellte, man habe „die halbe Stadt heute hier versammelt“. Was hatte es ja nicht allein für einen Wirbel um die Person des Sängers gegeben. Ein Auftritt bei einer Demonstration der sogenannten Reichsbürger am Tag der Deutschen Einheit in Berlin, den man mit viel kurpfälzischer Toleranz noch als „unglücklich“ bezeichnen konnte, löste reichlich Ärger aus. Knüpfte Naidoo dort doch rhetorische Bezüge zu deutschnationalen Verschwörungstheorien unter dem Deckmantel einer selbsterklärten Aufklärung, wie sie in der sogenannten Neuen Rechten gerade ziemlich angesagt sind. Diese Thesen wiederholte der Mannheimer so häufig, dass man ihm dann leider doch keine Unbedachtheit mehr unterstellen konnte. Als er beispielsweise im Morgenmagazin der ARD gefragt wurde, ob er sich frei fühle, antwortete der Sänger ganz unbefangen: „Aber nein, wir sind nicht frei, wir sind immer noch ein besetztes Land! Deutschland hat noch keinen Friedensvertrag und ist dementsprechend auch kein echtes Land und nicht frei.“ Udo Dahmen, der Leiter der Mannheimer Popakademie, distanzierte sich daraufhin offiziell von ihm und auch in der Stadtverwaltung wurde man langsam skeptisch, ob das ehemalige Aushängeschild noch tragbar sei. Richtig neu oder überraschend war das aber alles nicht. Immer wieder war Naidoo in der Vergangenheit mit kruden Aussagen zu allerlei gesellschaftlichen Themen aufgefallen. Mit dem Bonustrack „Wo sind sie jetzt?“ vom Xavas-Album „Gespaltene Persönlichkeit“ hatte er beispielsweise ziemlich explizit Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt und Geheimbünden Ritualmorde unterstellt. Nur hatte man bisher gnädig über solche Verfehlungen hinweggeschaut. Zu wichtig war Naidoo als Imagebotschafter für Mannheims musikalische Ambitionen gewesen. Man kann sicher darüber streiten, ob man den Künstler als Person von seiner Kunst an sich trennen kann oder gar muss. Ein Konzert der Söhne Mannheims konfrontiert den Zuhörer jedoch zwangsläufig immer wieder aufs Neue mit genau diesem Dilemma. Denn wäre diese Band einfach nur eine Ansammlung verdammt guter Musiker, die sie nun einmal alle sind, würde man wohl einfach das ganze Geplänkel im Hintergrund ignorieren können. Die Söhne wollen jedoch eine Band mit klaren Aussagen sein, sowohl in ihren Texten als auch bei ihren öffentlichen Auftritten. Daran müssen sie sich messen lassen. Genau das ist der Grund, warum die große Diskrepanz zwischen diesem teilweise pedantischen, christlich-missionarischen Auftreten der Gruppe und den irritierenden Aussagen eines Xavier Naidoo nur schwer ignoriert werden kann. Den Fans war das am Freitagabend freilich ziemlich egal. Bereits mit dem Auftaktkracher „Geh davon aus“ hatten die Söhne ihr Publikum voll im Griff. Seit 1995 gibt es die Band in immer mal wieder wechselnden Besetzungen, und diese Erfahrung merkt man den Instrumentalisten und Sängern jederzeit an. Die musikalische Darbietung bei einem Konzert der Söhne in irgendeiner Form kritisieren zu wollen, ist daher ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen. Hier sitzt jeder Ton, jeder Einsatz und jeder Groove. Von Reggae bis hin zu Soulballaden beherrscht die Band sowieso beinahe jede Popstilistik. Und auch wenn letztere sich bei diesem Konzert mal wieder als geheime Stärke der Söhne offenbaren: Bestens unterhalten wird man hier in diesen drei Stunden wirklich bei jedem Song. Vor allem die Abstimmung zwischen den fast in Chorstärke angetretenen Sängern beeindruckt immer wieder. Neben der aktuellen Besetzung mit Dominic Sanz, Michael Klimas, Tino Oac und Hennig Wehland sind es besonders die für zwei Abende zurückgekehrten Altmeister Xavier Naidoo, Rolf Stahlhofen und Claus Eisenmann, die für stimmliche Glanzpunkt sorgen. Nicht umsonst waren es schließlich auch diese drei, die der Band einst zu nationalem Ruhm verholfen haben. Mit den Sängern Butch Williams und Joe Whitney, Schlagzeuger Ralf Gustke oder Bassist Robbee Mariano dürfen sich zudem weitere ehemalige Weggefährten wieder einmal im Glanz des stürmischen Applauses sonnen. Als Überraschungsgast kommt dann ein weiterer verlorener Sohn der Quadratestadt auf die Bühne: Uwe Ochsenknecht, den man so auch schon lange kein Monnemerisch mehr hat babbeln hören. Es ist ein Abend im Zeichen der Heimkehr und ein Stück weit auch der Versöhnung zwischen den Söhnen und ihrer „Mutter“. Es überrascht daher wenig, dass die Zugabe mit „Meine Stadt“ und „Rosenblätter“ eröffnet wurde. Zwei emotionale Oden an Mannheim, die tatsächlich zu den berührendsten Momenten des Konzerts wurden.

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