Fußball Dem Tumor zum Trotz

Wurde in der vergangenen Saison von seinen Kameraden zum „Man of the Match“ gekürt und gab eine Kiste Bier aus: Philipp Schillo
Wurde in der vergangenen Saison von seinen Kameraden zum »Man of the Match« gekürt und gab eine Kiste Bier aus: Philipp Schillo vom SV Nanz-Dietschweiler III, der in der C-Klasse (Gruppe 2) Kusel-Kaiserslautern derzeit Tabellenzweiter ist. Sein größter Traum wäre es, mit seiner Mannschaft aufzusteigen.

Helden der Kreisklasse: Er ist von Geburt an taub, auf einem Auge kann er kaum sehen und er tut sich schwer mit dem Sprechen, aber wenn Philipp Schillo das Trikot des SV Nanz-Dietschweiler überstreift und den Rasen betritt, ist der 31-Jährige einfach nur Fußballer, ein Stürmer mit Leib und Seele, der für seine Mannschaft alles gibt und vom Fußball so viel zurückbekommt, dass andere ihn bewundern.

„Er hat keine Überlebenschance.“ Mit diesem Satz mussten Philipp Schillos Eltern kurz nach der Geburt ihres Sohnes erst einmal klarkommen. Philipp kam mit einem Tumor zur Welt, im Kopf, an einer Stelle, an der er nicht entfernt werden kann. Neun Monate lag er auf der Intensivstation und seine Eltern bangten um ein Leben, von dem sie nicht wussten, ob es lebenswert sein wird. „Aber als ich gesehen habe, wie er als Baby schon gekämpft hat, da wusste ich, dass er leben will“, erzählt sein Vater Klaus Schillo heute, 31 Jahre später.

Philipp, der in Börsborn im Kreis Kusel aufgewachsen ist und inzwischen in Kaiserslautern wohnt, ist im Laufe der Jahre mehr als 30 Mal operiert worden, hat immer wieder Rückschläge erlebt, aber er hat sich nicht entmutigen lassen, hat weitergekämpft, ist glücklich, sprüht vor Energie und hat etwas gefunden, das fest zu seinem Leben dazugehört, für das er brennt und für das er alles gibt: Fußball.

Philipp Schillo ist Stürmer der dritten Mannschaft des SV Nanz-Dietschweiler, Spieler des Gehörlosen Sportclubs (GSC) Frankenthal und Gründungsmitglied des Deaf Betzi Clubs Kaiserslautern, des Gehörlosen-Fanclubs des FCK.

Rückschläge und Operationen

Sein Weg dahin war nicht einfach, war gepflastert mit vielen Steinen und Hindernissen, die ihn zurückwarfen und die auch seine Eltern vor schwere Herausforderungen stellten. Philipp war taub, wegen der Medikamente, die er nehmen musste, um zu überleben. Im Hals steckte der Tumor, der sich nicht entfernen ließ. Auf dem linken Auge sieht er schlecht. Sein Rückgrat war verkrümmt, er musste eine Zeit lang ein Korsett tragen. Mit fünf Jahren wäre er im Schwimmbad in Ramstein fast ertrunken. Während seine Schwester Laura fröhlich und unbekümmert aufwuchs, füllten Philipps Krankheitsgeschichten Aktenordner.

Als Philipp vier Jahre alt war, trafen seine Eltern eine Entscheidung, die ihnen fast das Herz brach, die sich aber später als der Weg herausstellen sollte, der ihrem Sohn die Türen öffnen wird: Sie schickten ihn nach Frankenthal ins Internat, „wo er so gefördert wurde, wie wir das niemals hinbekommen hätten“, wie Vater Klaus Schillo heute sagt.

Der Vierjährige entwickelte sich schnell. Er ging dort in den Kindergarten, später in die Grundschule, die Hauptschule, machte eine Ausbildung, besuchte die Berufsschule, machte den Führerschein, arbeitet inzwischen seit achteinhalb Jahren als Monteur bei der Firma Wipotec und liebt seinen Job. Aber noch mehr liebt er Fußball. Der Sport, für den auch sein Vater brannte.

Der Weg zum SVN

Der Junior rannte im Internat dem Ball hinterher, spielte in Frankenthal in einer Jugendmannschaft und bald auch parallel in Nanz-Dietschweiler, bei dem Verein, bei dem seine ganze Familie aktiv ist, seine Cousins und Großcousins spielen. Er kam nicht oft zum Einsatz, wechselte schließlich für eine Saison zum SGV Elschbach, kickte zwei Spielzeiten beim TuS Glan-Münchweiler in der C-Klasse. 2020 kehrte er zurück zu dem Verein, bei dem alles begann und bei dem er eine Heimat gefunden hat, beim SV Nanz-Dietschweiler. Er spielt dort im Mittelfeld und ab und zu im Sturm. Seine Stärke ist das Kopfballspiel und er ist läuferisch stark. Er geht schnell am Gegner vorbei und gibt Vorlagen. „Beim Silvesterlauf habe ich auch mal mitgemacht, aber nur einmal“, winkt er ab, als sein Vater ihn wegen seines läuferischen Talents zu sehr lobt.

Für Philipp Schillo ist es nicht wichtig, herauszustechen. Er will einfach dazugehören, und das tut er. Im Alter von sieben Jahren bekam er ein Cochlea-Implantat, eine Hörhilfe, die es ihm erlaubt, sich ganz gut zu verständigen. Beim Spiel nimmt er die sensible Konstruktion aber ab. Weil die Gefahr zu groß wäre, dass das Gerät, das einen hohen vierstelligen Betrag kostet, beschädigt würde. So sitzt er mit Implantat bei der Mannschaftsbesprechung in der Kabine, nimmt es ab und ist dann auf seine Augen, Lippenlesen, seine Intuition und das angewiesen, was er im Training gelernt hat. „Ich weiß, wo ich beim Eckball zu stehen habe, und ansonsten schaue ich mich viel um“, erklärt er, wie das in der Praxis beim SV Nanz-Dietschweiler III funktioniert.

Wenn er für die Gehörlosenmannschaft spielt, läuft das ähnlich. Da sind Hörhilfen nicht erlaubt, damit für alle Spieler die gleichen Voraussetzungen gelten. Schillo spielt in der Spezialmannschaft, seit er 16 ist. Zuerst war er in Frankenthal am Ball, dann beim Gehörlosenclub Saarbrücken, in Heidelberg, ein Jahr in Trier, wieder zwei Jahre in Heidelberg und seit 2021 wieder in Frankenthal. Er kommt viel herum mit den Teams, bei denen der Schiedsrichter statt zu pfeifen mit einer Fahne winkt, aber bei denen sonst die gleichen Regeln gelten.

Der Berg ist schuld

Mit den Gehörlosenteams ist er viel unterwegs, im süddeutschen Raum, auf dem Feld, in der Halle. Auch wenn er dafür viel Fahrerei in Kauf nimmt. 2019 ist Philipp Schillo nach Kaiserslautern gezogen. Wegen der Arbeit, weil das näher an Frankenthal liegt als Börsborn, aber auch, „weil da der FCK ist und der Berg“, sagt er und grinst. Auch wenn die Coronazeit, in der er nach Lautern wechselte, bitter war, hat er diesen Schritt nicht bereut. Im Gegenteil. Er ist heißglühender FCK-Fan und hat eine Dauerkarte. 2021 hat er den FCK-Fanclub Deaf Betzi initiiert und mitgegründet, der inzwischen 60 Mitglieder hat. 50 Sitzplätze sind inzwischen für die Gehörlosen und Schwerhörigen des Clubs im Stadion reserviert, erzählt er.

Dass er viel für den Fußball unterwegs ist, macht dem 31-Jährigen nicht viel aus. Freitags ist Training in Frankenthal und mittwochs geht es nach Nanz-Dietschweiler. Er genießt das Gemeinschaftserlebnis in der Kabine, im Training, beim Spiel, hat da seine Freunde gefunden und er liebt Fußball, „weil Fußball nie langweilig wird“, erklärt er und strahlt.

Beim SV Nanz-Dietschweiler fühlt er sich zuhause. „Die meisten kennen mich schon lange, akzeptieren mich, sie haben mich gut aufgenommen“, erzählt Philipp Schillo, dessen Herz für den SV Nanz-Dietschweiler schlägt. So sehr, dass er natürlich auch die Spiele der ersten und zweiten Mannschaft verfolgt. Und so sehr, dass er nicht lange überlegen muss, wenn er gefragt wird, wofür er sich entscheidet, wenn sein C-Klasse-Team und der FCK gleichzeitig spielen: „Da geht ganz klar der SV Nanz-Dietschweiler vor.“

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