Kaiserslautern Ausstellung über Pfälzer Brasilien-Auswanderer

Die Portugiesen nahmen Brasilien offiziell im Jahr 1500 als Kolonie im Besitz. Diese Karte, die im Wadgasserhof gezeigt wird, st
Die Portugiesen nahmen Brasilien offiziell im Jahr 1500 als Kolonie im Besitz. Diese Karte, die im Wadgasserhof gezeigt wird, stammt aus dem Jahr 1519.

Diese Ausstellung kann auch ein Publikum erreichen, das sich weder für Geschichte noch für Volkskunde und schon gar nicht für fremde Länder interessiert. Die Schau „Neuland“, mit der das Kaiserslauterer Theodor-Zink-Stadtmuseum an „200 Jahre Auswanderung nach Brasilien“ erinnert, lockt mit Computerbrillen, die per Animation in die Welt der damaligen Neusiedler blicken lassen.

„Augmented Reality“ – erweitere Wirklichkeit – nennt der Mensch von heute diesen Weg in die Vergangenheit. In diesem Fall geht es ins Jahr 1824 und die Folgezeit, als die die ersten deutschen Einwanderer in Brasilien ankamen. Die Kolonisten wurden von eigens ausgesandten Werbern mit der Aussicht auf Vergünstigungen in das kurz zuvor unabhängig gewordene Land gelockt. Ein Großteil kam aus dem Hunsrück und der Westpfalz.

Der riesige Staat erstreckt auf heute 8,5 Millionen Quadratkilometer zwischen Amazonas und den Iguazú-Wasserfällen. Damals wies der Kaiser, der zugleich König von Portugal war, den Pfälzer Neuankömmlingen die im Süden gelegenen Provinzen Rio Grande do Sul und São Paulo zu. Bis heute halten sich dort deutsche Orts- und Familiennamen oder Brauchtum wie die auch dort so genannte „Kerb“.

Klein, aber spektakulär und informationsdicht

Die kleine, aber informationsdichte Ausstellung verteilt sich auf nur zwei Räume des Stadtmuseums. Am Eingang gibt zunächst eine großformatige Landkarte einen Überblick über die Gegebenheiten vor Ort. Historische Fotos sowie offizielle und private Schriftstücke zeichnen die Entwicklung der neu gegründeten Orte nach. Als „Wiege der deutschen Einwanderung“ (portugiesisch: „o berço da imigração alemã“) gilt die Stadt São Leopoldo nahe Porto Allegre.

Der Neuanfang war naturgemäß schwer, zumal das Land den indigenen Ureinwohnern ohne viel Federlesens abgenommen wurde. Die in Vitrinen gezeigten Briefe und Reiseberichte von Zeitgenossen vermitteln eine Ahnung vom harten Leben der Kolonisten.

Attraktivität durch VR-Brillen

Sicht- und erlebbar wird ihr Kampf ums neue Dasein durch die computergestützten Brillen, die diese Schau so reizvoll machen. Wer sie aufsetzt, wird von einem flatternden Papagei überaus plastisch durch die Welt von damals geführt: an Bord der Überfahrtsschiffe, zu Bauern bei der Feldarbeit, auf ein Volksfest.

Die Zeit der mehr oder weniger didaktischen Stellwände und Schaubilder, die historische Ausstellungen (nicht nur) fürs junge Publikum oft so dröge und piempfig machten, scheint damit vorbei. Die VR- oder AR-Brillen sind weder verspieltes Mätzchen noch Anbiederung an den technikverliebten Zeitgeist. Vielmehr eröffnen sie der musealen Präsentation die Möglichkeit einer hautnahen Plastizität, die durch Audiokommentare abgerundet wird.

Hilfestellung von Hochschul-Absolventen

Das Theodor-Zink-Museum verwendet diese Technik bereits seit geraumer Zeit. Die von Sara Brück mit Bedacht kuratierte „Neuland“-Ausstellung könnte ihr zur notwendigen Publizität verhelfen. Ermöglicht wurden der Blick durch die elektronische Brille durch drei ehemalige Studierende der hiesigen Hochschule: Lukas Speyer, Marcel Adam und Leon Werner. Kulissenmaler des Pfalztheaters waren an der Ausgestaltung ebenso beteiligt. Alyne Behringer hat die Vorlagen für Gipsmodelle gezeichnet, die beim Blick durch die Brille zu pittoreskem Leben erwachen.

Wer’s konventioneller mag, erhält einen vertieften Einblick durch Exponate aus dem zeitgenössischen Wirtschafts-, Kultur- und Vereinsleben im Süden Brasiliens. Selbst eine künstlerische Reflexion hat es in die Ausstellung geschafft: die „Schuhmacherwerkstatt“ des Malers Flávio Scholles, der in seinen Werken die Geschichte der Brasilien-Auswanderer thematisiert und das Saarland als seine zweite Heimat bezeichnet.

Fotos in der Fruchthalle, Parallel-Schau in Simmern

Ebenfalls unter dem Rubrum „Neuland“ steht eine zeitgleich in der Fruchthalle eröffnete Schau. Dort zeigen die brasilianischen Fotografinnen Ray Albuquerque und Marina Klink sowie ihr Lauterer Kollege Jörg Heieck ihre Bilder. Eine dritte „Neuland“-Ausstellung ist derzeit im Hunsrück-Museum Simmern zu sehen.

Wer im Stadtmuseum war, dürfte ziemlich neugierig werden auch auf die beiden Parallel-Veranstaltungen. Darüber hinaus gibt es ja noch das Auswanderermuseum in Oberalben sowie die Ausstellungen zur Geschichte der Westricher Wandermusikanten in Mackenbach und auf Burg Lichtenberg. Für die Spielleute allerdings war Brasilien nur ein Ziel von vielen, von denen sie immer wieder in die Heimat zurückkehrten.

Info

Ausstellung „Neuland. 200 Jahre Auswanderung nach Brasilien“ bis 22. Dezember im Wadgasserhof des Theodor-Zink-Stadtmuseums Kaiserslautern.
Geöffnet mittwochs bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags 11 bis 18 Uhr.

Gipsmodelle erwachen per VT-Brille zum Leben.
Gipsmodelle erwachen per VT-Brille zum Leben.
Kuratorin Sara Brück vom Stadtmuseum.
Kuratorin Sara Brück vom Stadtmuseum.
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