Kaiserslautern Alternativer Neujahrsempfang im Kulturzentrum Kammgarn
Am Angang war die Langeweile. Bei Kulturzentrumschef Richard Müller, der sich jahrjährlich durch die immer gleichen Neujahrsempfänge quälen durfte. „Oftmals bei schlechtem Wein und knatschigen Brezeln“, wie er augenzwinkernd bekennt. Nach all den langen und nicht selten ermüdenden Reden habe ihm dann folgender Satz regelmäßig den Rest gegeben: „Wir wünschen Ihnen noch anregende Gespräche.“ Und so kam er auf die Idee, die Sache doch mal etwas anders anzugehen und eine Alternative zum gängigen Neujahrsempfangsritual auf die Beine zu stellen. Dass es inzwischen auch in Kaiserslautern etliche „Nachahmer“ gibt und Neujahrsempfänge – sei es in der Pfalzgalerie am 18. Januar inklusive 20er-Jahre-Flair oder im Kunstraum Westpfalz bereits am 11. Januar – geradezu aus dem Boden schießen, scheint ihm Recht zu geben.
Vor der Initiative in der Kammgarn habe es seinerzeit nur den städtischen Empfang gegeben, erinnert sich Müller. Anfänglich finanziell unterstützt von der Volksbank und künstlerisch mitgestaltet von der Kabarettgruppe Die Untiere, ging es los mit einem Konzept, das ausdrücklich offizielle Ansprachen jeglicher Art ausschloss und dafür ein zwangloses Treffen und ebensolche Gespräche mit bunten kulturellen Schmankerln vereinte.
Akrobatik statt Politik
Kamen zunächst sponsorenbedingt auch Bankkunden und doch der ein oder andere Lokalpolitiker zum Empfang, so hat sich dies grundsätzlich gewandelt. Die Kammgarn sucht ihre Gäste inzwischen ausschließlich selbst aus, es kommen „queerbeet Menschen, ganz normale Leute und auch solche, die sich vielleicht sonst keine Kultur leisten“, erklärt Müller. „Wir sind halt ein Haus fer die Leit’“, fügt er an. Politiker müssen erklärterweise draußen bleiben, es sei denn, sie sitzen im Aufsichtsrat der Kammgarn. Ausnahmen bestätigen also einmal mehr die Regel.
150 Zuschauer waren denn auch gekommen zum zehnten Kammgarn-Empfang, von der Bäckereiverkäuferin („wo wir immer unsere Brötchen kaufen“, O-Ton Müller) über Maler, die im Haus beschäftigt seien, bis zum Kulturschaffenden. Und so mischten sich unter anderen neben Fotokünstler Thomas Brenner und Filmemacher Karl-Heinz Christmann auch Kinobetreiberin Ursula Simgen-Buch, Stadtmuseumsleiter Bernd Klesmann und das Duo Mon Mari et Moi in Person von Shakti und Mathias Paqué unter die Gäste. Sie erlebten ein Programm, das diesmal ganz unter dem Zeichen der Akrobatik stand.
Weltmeister mit großer Klappe
Vier Acts warfen sich dabei auch im Wortsinne die Bälle zu. Als Conférenciers wirkten die zwei jungen Bonner Diabolo-Weltmeister Benno Jacob und Max Fröhlich, die als Gäste auch schon im Zirkus Knie, Roncalli oder mit abendfüllendem Programm im Schmidt Theater Hamburg oder bei den Wühlmäusen in Berlin zu sehen waren.
Neben ihrem hochartistischen Umgang mit dem Jongliergerät, das aus einem Plastik-Doppelkegel und einer Schnur an zwei Stäben besteht, punkteten sie in ihren gerne auch mal selbstironischen Comedy-Einlagen mit Witz und Schlagfertigkeit. Dass sie 2017 ihren Weltmeistertitel ausgerechnet im Land des Diabolos, Taiwan, zurecht errangen, bewiesen sie mit unglaublich schnellen Kunststücken ein ums andere Mal.
Nicht minder eindrücklich war die Performance von Sina Lynn Kiekbusch.
Mit unglaublicher Körperspannung und -beherrschung sowie einer ausgeklügelten Choreographie schraubte sich ihr Körper an einer Leiter in die Höhe; gleiches gilt für ihre Darbietung am halben Rhönrad, das die Fachbezeichnung Cyr Wheel trägt. Dass die an einer Sporthochschule studierte Künstlerin inzwischen ihr Können in Köln an den Artistiknachwuchs weitergibt, beweist daneben ihre Klasse.
Ein gelungener Auftakt
In Sachen Körperbeherrschung stand ihr Katharina Waigmann in nichts nach.
Dass es 2024 hoch her und hoch hinaus gehen könnte in Sachen Kultur in der Kammgarn, legt dieser Auftaktabend also nahe. Wie Kulturzentrumschef Müller zufrieden ausführt, lassen auch die bisherigen Vorverkaufszahlen auf einen guten Start schließen. So kann es also weitergehen in dem überregional renommierten und dementsprechend weit ausstrahlenden Kulturzentrum der Barbarossastadt.
Zum Nachschauen
Die Künstler des Abends sind mit Videos auf der Plattform Youtube vertreten.