Kaiserslautern Abschiedsstimmung

Es gab Zeiten, da setzte Ende März, Anfang April das Kribbeln ein. Vorfreude auf eines der ältesten Klassikfestivals, nicht nur der Region, sondern Deutschlands. Und eines der größten noch dazu. Und der besten. Sowieso. Schwetzingen war ein Gütesiegel, über Jahrzehnte. Ein Glücksfall für die Klassikfreunde. Ein Muss im Terminkalender. Ein Arkadien der Musik. Seit dieser Woche läuft der Vorverkauf der mittlerweile 65. Auflage des Festivals, das im kommenden Jahr am 29. April mit der Barockoper „Veremonda, l’amazzone di Aragona“ von Francesco Cavalli eröffnet wird. Nachdem der Start in diesem Jahr eher etwas mau ausfiel: Aus Kostengründen gab es zur Eröffnung statt einer Oper eine Art Performance als verhindertes Gesamtkunstwerk aus Tanz, Musik und Lesung. Man war viel unterwegs im Schlosspark, vom Theater in den rechten Zirkelsaal und zurück. Bewegt fühlte man sich dennoch. Nicht. Aber in der Leitung der Festspiele tut sich etwas. Böswillig formuliert könnte man das so umschreiben: Der SWR, als Träger des Festivals, spart durch Fusion eine Leitungsfunktion ein. Damit hat der Sender ja durchaus Erfahrungen. Heike Hoffmann kommt von der Salzburg-Biennale und übernimmt von Georges Delnon das Musiktheater- und von Marlene Weber-Schäfer das Konzertprogramm der Festspiele. Deren Wirken war in der Nachfolge von Peter Stieber, der 16 Jahre in Schwetzingen tätig war, von vornherein auf vier Jahre ausgelegt, Delnon hatte die Opernsparte der Festspiele 2009 von Klaus-Peter Kehr, dem scheidenden Opern-Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters, übernommen. Es ist also auch eine Art Abschiedssaison. Aufbruchsstimmung konnte das Festival in der jüngeren Vergangenheit ohnehin nicht wecken. Das wäre vielleicht eine Chance für die neue künstlerische Leiterin. Der ganze Sender mit Intendant Peter Boudgoust an der Spitze machte mit seiner auf Orchester-Vernichtung konzentrierten kulturpolitischen Ausrichtung in den vergangenen Jahren ohnehin den Eindruck, als sei die Einschaltquote wichtiger als die Erfüllung des kulturellen Bildungsauftrages, der nach dem Willen des Gesetzgebers eben an das Einkassieren von Rundfunkgebühren gebunden ist. In der SWR-Zentrale in Stuttgart sah und sieht man das natürlich ganz anders. Und wo man Orchester zwangsfusioniert, da hat man eben auch wenig Hemmungen künstlerische Führungspositionen zusammenzulegen. Irgendwie legte sich diese schlechte Stimmung wie Mehltau auch über die Festspiele in Schwetzingen. Hinter vorgehaltener Hand wird von manchen Schwarzsehern gar deren bevorstehendes Ende prognostiziert. Nun, so weit wird es wohl ganz so schnell noch nicht kommen, sonst wäre die Verpflichtung einer neuen künstlerischen Leiterin tatsächlich blanker Zynismus. Dennoch wird man sich ja durchaus fragen dürfen, ob ein Sender, der sagt, es sei durchaus nicht sein Aufrag, zwei Sinfonieorchester zu unterhalten, die Finanzierung eines Klassikfestivals als ehernes Gesetz formuliert. Als Lieferant für Rundfunkprogramme alleine wäre das Festival tatsächlich zu teuer. Man konnte in der Region zuletzt zudem beobachten, wie sich die Parameter verschoben haben. Den Spitzenplatz unter den Klassikfestivals hat Schwetzingen längst an den „Heidelberger Frühling“ verloren, dessen Programm und Konzept mittlerweile national und international gefeiert werden. Schwetzingen hat und hatte da nicht mehr viel gegen zu setzen. Die Oper war eine der letzten Trümpfe, weshalb die Sparmaßnahme in diesem Jahr auch ein fatales Signal in der Außenwirkung war. Umso wichtiger, dass man 2016 auch im Musiktheater die bewährte Schwetzinger Dramaturgie wieder umsetzt: Altes wiederentdecken, Neues fördern: Neben der Barock-Oper gibt es noch die Uraufführung der Oper „Koma“ des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas. Ansonsten bietet die Programm-Auslage eher Durchschnitt-Kollektion als Designer-Produkte. Die ganz großen Namen machen sich rar. Das geht nun schon einige Spielzeiten so, und es ist mehr als fraglich, ob der neuen künstlerischen Leitung die Trendwende gelingt. (Foto: Archiv)

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