Grünstadt Zwischen Kobe und Kirchheim

Dominik Wörner
Dominik Wörner

Dominik Wörner hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Gleich sechs Mal war der Kirchheimer Bariton in den vergangenen zwölf Monaten in Japan zu Gast, um ein echtes Mammutprojekt abzuschließen. Seit 23 Jahren hatte das japanische Bach-Collegium daran gearbeitet, alle Bach-Kantaten aufzunehmen und auf CD zu veröffentlichen. Ein historisches Vorhaben, das 55 Tonträger mit geistlichen und zehn mit weltlichen Kantaten umfasste. Seit 2005 war Wörner mit von der Partie. Im August ist nun die finale CD erschienen, Wörner war daher mehrmals in Fernost, um die Platte zu promoten und Konzerte zu geben. „Der Abschluss ist schon eine echte Zäsur. Das Projekt war lange Teil meines Lebens“, sagt Wörner, und in seiner Stimme mischt sich Stolz mit ein bisschen Wehmut. Immer noch sei er sehr fasziniert davon, wie sich die Japaner in das Thema Bach gestürzt hätten und diese Musik aus diesem für sie fremden Kulturkreis für sich entdeckt haben: „Mittlerweile sind sie auf dem Gebiet führend. Beeindruckend.“ Nun liegt Wörners Fokus aber voll auf dem Kirchheimer Konzertwinter. Der steht in seiner 28. Spielzeit unter dem Motto „Facetten“. Treffend, wie der künstlerische Leiter der Reihe findet. „Das Motto beruht auf einer Erfahrung, die ich in meiner Karriere gemacht habe. Es gibt niemals nur eine Wahrheit, eine Lösung oder eine Perspektive in der Musik, sondern immer viele Möglichkeiten der Deutung“, sagt Wörner und bemüht zur Verdeutlichung das Bild eines Diamanten: „Je nachdem, wie er geschliffen ist, wie er beleuchtet wird und aus welcher Perspektive er betrachtet wird, erscheint er anders.“ Nun sei es aber nicht so, dass erst das Motto steht und dann versucht wird, entsprechend passende Künstler zu finden. „Das würde nicht gehen, es bedarf ja zum Teil schon einer langer Vorabplanung“, so Wörner. Dennoch füge sich das Ganze meist schlüssig zusammen. Auch in diesem Jahr hat Wörner wieder jede Menge namhafter Musiker an Land gezogen. Der Schweizer Pianist und Organist Rudolf Lutz, der Kirchheim einst die Weinkantate schenkte, ist wieder mit von der Partie. Oder der Bratschist Antoine Tamestit, der eine Viola von Stradivari aus dem Jahre 1672 spielt. Die Künstler, die Wörner nach Kirchheim holt, sind oft auf den ganz großen Konzertbühnen zu Hause. Ihre Auftritte im beschaulichen Weindorf sind der Freundschaft zu Wörner und dem Organisationsteam geschuldet. „Das läuft hier vor allem über persönliche Kontakte, wir bekommen den einen oder anderen Musiker daher auch etwas günstiger“, sagt Wörner. Die Künstler wiederum schätzten die familiäre Atmosphäre. „In den großen Konzertsälen kommen sie durch den Hintereingang, ziehen sich um, geben ihr Konzert und verschwinden wieder in ihr anonymes Hotelzimmer. Hier kümmern wir uns um sie“, sagt Wörner. Viele seien daher schon mehrmals zu Gast gewesen. Und sie bringen zum Teil auch ihr Publikum mit. „Wir können uns über die Auslastung nicht beklagen. Je nach Konzert liegen wir bei 100 bis 300 Zuhörern“, sagt Wörner. Die protestantische Kirche, in der die Veranstaltungen über die Bühne gehen, fasse rund 300 Menschen. Man habe sich über die Jahre ein Stammpublikum erarbeitet, das aber stetig wachse. Weil man mittlerweile überregional werbe und auch überregional besprochen werde. Und auch dank der CD-Veröffentlichungen. Im September erst sind die in der vergangenen Saison eingespielten Graupner-Kantaten erschienen. „Wir haben uns als Konzertreihe etabliert“, sagt Wörner, der daher am Grundkonzept der Reihe auch nichts verändert hat. Was aber nicht heißt, dass es keine Neuerungen geben könnte. So könnte sich Wörner etwa vorstellen, mal ein Konzert live im Netz zu streamen, etwa über Facebook, wo der Konzertwinter nun auch vertreten ist. „Die Technik dafür haben wir“, sagt der Bassbariton. Finanziell stehe der Konzertwinter auf sicherem Fundament. Das Kirchheimer Fairplay habe sich als Modell bewährt. Dabei wird offiziell kein Eintritt erhoben, die Konzertbesucher werden aber dazu aufgerufen, einen Betrag ihrer Wahl zu spenden. Wörner: „Es ist natürlich eine Mischkalkulation. Aber es funktioniert, alle Seiten sind damit zufrieden.“ TERMIN Die Aufzeichnung des Graupner-Kantatenabends aus der vergangenen Konzertwinter-Saison ist am Sonntag, 21. Oktober, 8:03 Uhr im Radio nachzuerleben (SWR 2 - „Kantate“). Mit: Dominik Wörner, Marie Luise Werneburg, Dominik Wörner (Bass), dem Kirchheimer BachConsort und Rudolf Lutz (Cembalo, Leitung).

Rudolf Lutz
Rudolf Lutz
Masato Suzuki
Masato Suzuki
Alfredo Bernardini
Alfredo Bernardini
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