Grünstadt Unterwegs mit der Sonne aus der Pfalz

SAUSENHEIM/QUIRNHEIM. Günter Diemer war die treue Seele des Sausenheimer Weingutes Schenk-Siebert. Zum 1. Juli ging der gebürtige Kindenheimer, der heute 65 Jahre alt wird, in den Ruhestand. 41 Jahre lang belieferte er in ganz Deutschland die Kunden des alteingesessenen Betriebes. Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft und der bedachte Umgang mit Menschen zeichnen den pensionierten Berufskraftfahrer aus. Das Reisefieber indessen steckte schon in den Genen. „Herr Diemer gehörte fast zur Familie. Für unsere auswärtigen Privatkunden war er Repräsentant, Ansprechpartner und Bindeglied zugleich“, lobt der 56-jährige Weingutchef Gerhard Siebert. „Mit den Produkten verteilte er auch die Sonne der Pfalz im gesamten Bundesgebiet“, formuliert es Siebert. Diemer legte in den vergangenen vier Jahrzehnten mit den Betriebs-Lkw des Weingutes mindestens 2,5 Millionen Kilometer in der gesamten Bundesrepublik zurück und lieferte gut und gerne 6,5 Millionen Flaschen mit edlen Tröpfchen aus. Sein Beruf wurde seine Berufung. Und die begann Anfang der 70er Jahre. Damals plagten Diemer, Maschinenschlosser und in der Baubranche tätig, leichte Existenzängste wegen wirtschaftlicher Probleme am Bau. Durch Zufall stieß er bei den Stellenangeboten in der RHEINPFALZ auf ein Inserat, „Lkw-Fahrer für Weinauslieferung gesucht“. Er schickte seine Bewerbung mit Volksschulzeugnis „fünf Einser“ an das Sausenheimer Weingut Michel-Schenk, so der damalige Name. Und kam in die engere Auswahl. Beim Vorstellungsgespräch seien allerdings sein neumodisches Outfit und die langen Haare beim damaligen Seniorchef Günther Schenk nicht gut angekommen: „Der war eher skeptisch.“ Aber: Am 27. Juli 1974 trat der 24-Jährige seine Stelle als Kraftfahrer im Weingut an. Das Reisefieber war eh vorhanden, geerbt vom Urgroßvater, der als fahrender Händler „immer unterwegs war“, schmunzelt Diemer. Seine erste Tour führte durchs Donautal nach München. Die Arbeit gefiel zunehmend. Schnell wuchs das Vertrauensverhältnis zu den Kunden, die dem Pfälzer im Laufe der Zeit schon mal die Wohnungs- oder Kellerschlüssel überließen und sich bei ihm dies und jenes von der Seele redeten. Ein Schicksalsschlag im Betrieb traf alle: 1981 starb Günther Schenk 53-jährig. „Er war für mich von Anfang an eine Art Vaterersatz geworden“, so Diemer. Sein Vater verunglückte 1974 tödlich, just als er im Weingut mit der Arbeit begann. Etwa 1800 größtenteils langjährige Privatkunden („wir haben uns gegenseitig ins Herz geschlossen“) gehören zum Stamm, die im vierteljährlichen Turnus mit edlen Tropfen aus Sausenheim versorgt werden – von den Alpen bis in den flachen Norden. Das Ein- und Ausladen, das Tragen in obere Stockwerke oder tiefe Keller, war, besonders für den Rücken, nicht immer leicht, weshalb er sich eine eigens entwickelte körperliche „Hebetechnik“ aneignete. In 41 Jahren war Diemer nur zweimal krank. „Nach acht Tagen war er wieder da – vorbildlicher geht’s nicht“, merkt sein Chef an. Wurde mal nicht ausgefahren, war Diemer in den Weinbergen, beim Reben schneiden, pflügen oder der Lese zugange. Was hat sich in über 40 Jahren als Kapitän eines 7,5-Tonners mit Anhänger auf den Straßen verändert? Die Hektik habe zugenommen, und die Aggressivität. Die Rücksichtnahme sei weniger geworden. Das „hilfreiche Navi“ ist seit gut 15 Jahren dabei. In der Ära vor der Handy-Manie hätten die Leute noch mehr Zeit und Geduld gehabt. Es fehle Gelassenheit. Bei den Routen, die oft mehrere Tage dauerten, blieb das Familienleben teilweise auf der Strecke, mit Trennungen als Folge. Stolz ist er auf seine drei erwachsenen Kinder und zwei Enkel. Bei seiner Abschiedstour „hatten viele Kunden Tränen in den Augen“, so Diemer. Von Hildegard und Gerhard Siebert gab’s zur Verabschiedung unter anderem einen Reisegutschein, vom Pfälzischen Bauernverband eine Urkunde für 40-jährige Treue. „Einen gleichwertigen Nachfolger zu finden, wird schwer sein“, sagt das Ehepaar Siebert. „Wenn wir nach Hilfe rufen, ist er aber bestimmt da“, trösten sie sich. Der 65-jährige frische Ruheständler hat endlich mehr Zeit für sein Haus mit Garten in Quirnheim, wo er seit Jahrzehnten wohnt. Er freut sich zudem auf die Reisen mit dem Wohnmobil und dem Motorrad, auf ein langes Frühstück am Morgen und auf die RHEINPFALZ, die er jetzt in aller Ruhe lesen kann.

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