Grünstadt „Mankell halte ich für überschätzt“

Einmal im Monat wird es spannend in der Garamond-Buchhandlung in Grünstadt: Dann ist „Crime Time“ mit Rainer Scheer angesagt. Der Journalist und Krimi-Fachmann wählt Themen aus, zu denen er Bücher vorstellt, Hintergründe vermittelt, Neuerscheinungen, aber auch Klassiker bespricht. Joerg Schifferstein sprach mit ihm über die Veranstaltung und aktuelle Krimi-Trends.

Wie sind Sie 2008 auf die Idee gekommen, anderen Menschen Kriminalromane und Geschichten vorzulesen?

Meine Begeisterung für den Kriminalroman und meine Lesebegeisterung wollte ich mit „missionarischem Eifer“ in die Welt tragen. In Büdingen, wo ich wohne, gibt es den „Literarischen Salon“. Dort habe ich die ersten Veranstaltungen gemacht. Seinerzeit entstand 2002 die Idee für solche Lesungen. Sechs Jahre habe ich gebraucht, bis es dann mit dem ersten Termin geklappt hat. In Gießen machte 2007 die Krimi-Buchhandlung „Miss Marple’s“ auf, dort gab es die ersten Lesungen, die sich bis heute gehalten haben. In der Pfalz wurde ich zu einer ersten Lesung ins „Café Böhnchen“ nach Eisenberg eingeladen, dort entstand der Kontakt zu Garamond. Im Herbst 2008 ging es dann mit Lesungen in Grünstadt los. Jetzt sind wir bei der 68. Veranstaltung angekommen. Wer kommt zu den Crime-Time-Veranstaltungen? In jedem der drei Orte, in denen ich aktuell regelmäßig lese, hat sich ein harter Kern entwickelt, der immer kommt, egal wie schwachsinnig das Thema klingt. Das ist auch in Grünstadt so. Immer mal wieder stoßen neue Leute hinzu, die entweder bleiben oder gezielt Einzelveranstaltungen besuchen. Wir bewerben die Lesungen nicht besonders intensiv, da ist sicher noch Luft drin, das ist aber in jedem Fall Zukunftsmusik. Der Platz in Grünstadt in der Buchhandlung ist natürlich begrenzt. Wir hatten bislang in der Spitze bis zu 35 Leute. Maximal 50 Zuhörer würden wohl bei Garamond Platz finden. Woher kommen die Themen? Ich kucke zum einen nach runden Geburtstagen der Autoren, dann durchforste ich die Buchkataloge nach Neuerscheinungen. Daneben gibt es die Reihe in der Reihe, zum Beispiel „Morden im Norden“, „Tatorte in Deutschland“ und natürlich die „Weihnachtskrimis“. Ganz wichtig ist: Die kooperierenden Buchhändler machen natürlich auch Vorschläge, so kam es etwa zur Stig-Larsson-Veranstaltung. Apropos Nordeuropäer: Wie erklären Sie sich, dass die Krimis aus diesem Bereich heute erfolgreicher sind als der deutsche Kriminalroman? Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so ist. Die Regionalkrimis beispielsweise laufen wie geschnitten Brot. Wenn ich selbst in den Urlaub fahre, dann nehme ich immer die von mir so bezeichneten „Vor-Ort-Krimis“ mit. Das mag ich, vor allem die Genauigkeit der Beschreibung der Handlungsorte. Es geht heute oft um die Darstellung des Regionaltypischen. Beispielsweise Henning Mankell halte ich für stark überschätzt. Es gab schon vor ihm Olov Svedelid, einen in Deutschland weitgehend unterschätzten Autor. Er war in Schweden vor Mankell der auflagenstärkste Autor. Aber mit der Vermarktung von Mankell in Deutschland begann der eigentliche Hype der Nordeuropa-Krimis. Ähnliches gilt für die Patrica-Cornwell-Reihe, die eigentliche Urform des Pathologen-Krimis. Sie war die Vorreiterin, viele andere folgten. Sie lesen sich durch die Krimi-Welt, gibt es eigentlich noch andere Themen, die Sie in Büchern interessieren? Fantasy und Science-Fiction. Oder auch gerne mal so etwas wie Wilkie Collins, was mehr Gesellschaftsbeschreibung ist, und was wir gerade bei der letzten Crime Time in Grünstadt hatten. Was lesen Sie momentan? „Scotch as Scotch can“ von Thomas Kastura, der dieses Werk von 37 Autoren herausgegeben hat. Das andere ist ein Buch mit Märchen aus Usbekistan, in Vorbereitung auf eine Lesung mit Drei-Gänge-Menü im „Jacko´s“ in Grünstadt im Oktober. (Foto: Schifferstein)

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