Grünstadt Glänzende Alte Musik

Haben überzeugt: Plamena Nikitassova, Francesco Corti und Maurice Steger (von links).
Haben überzeugt: Plamena Nikitassova, Francesco Corti und Maurice Steger (von links).

Rasante Virtuosität und differenzierte Gestaltungskraft überzeugten das sehr große Publikum beim vorletzten Konzert des Kirchheimer Konzertwinters am Sonntag gleichermaßen: Maurice Steger, verschiedentlich „Hexenmeister der Blockflöte„ genannt, Plamena Nikitassova, die bulgarische Meistergeigerin, von einem früheren Konzert in Kirchheim in bester Erinnerung, und der italienische Cembalovirtuose Francesco Corti präsentierten vornehmlich italienische Musik des 17. Jahrhunderts in blitzblank funkelnden Interpretationen.

Kaum je dürfte der durchschnittliche Musikfreund von Komponisten wie Buonamente, Mealli, Scarani oder Falconiero – sämtlich mit vielen klangvollen Vornamen – gehört haben, die hier erklangen. Allenfalls Girolamo Frescobaldi oder Tarquinio Merula dürften ihm ein Begriff sein. Und so fremdartig wirkte in vielerlei Hinsicht auch das, was erklang. Die Harmonien dieser Musik sind auch dem heutigen Hörer vertraut und geläufig, aber Aufbau und Ablauf dieser Kompositionen leuchten ihm nicht unbedingt auf Anhieb ein. Einprägsame Melodik, weitläufige Entwicklung sind noch kaum ausgebildet, vieles ähnelt sich auf eigenartige Weise, und am ehesten scheinen die Komponisten zu dem heutigen Hörer einprägsamen Formulierungen zu gelangen, wo sie Naturphänomene nachahmen, wie beispielsweise Merula in seinem Canzon „La Gallina“, aus dem zu entnehmen war, dass schon damals das Huhn mit derselben Wendung, die nach „Ich hab gelegt“ klingt, wie heute stolz mitteilt, dass es sich eines Eis entledigt hat. Dies deutet schon an, dass es nicht ohne Humor abging. Die drei jungen Musiker vermieden jede steife Konzertatmosphäre und gaben, vom künstlerischen Leiter der Reihe, Dominik Wörner, in einer überaus gelungenen Weise befragt, in verschiedenen Sprachen interessante und nützliche Hinweise zum Instrumentarium. Woraus beispielsweise zu lernen war, dass italienische Cembali der Zeit zwar leichter gebaut, aber dennoch lauter sind als solche aus Deutschland und Frankreich. Und dass die Renaissanceblockflöte noch nicht die Weichheit und Zartheit barocker Instrumente hat, sondern eher noch die etwas derbe Pfeife des Mittelalters ist. Und so spielte Francesco Corti, der ein ganzes Arsenal verschieden hoher und unterschiedlich klingender Blockflöten dabei hatte, sein Instrument in den älteren Stücken durchwegs energisch und klanglich eher scharf, und meist in einem Tempo, welches das Publikum zu nahezu unausgesetztem Staunen verführte. Dabei sprang er des Öfteren von einem Bein auf das andere, teilte die Bewegung seines Leibes der Musik mit – ein Konzept, das den Vortrag sehr verlebendigte, wenn es auch etwas manieriert aussah. Seine Bravourstückchen gelangen ihm bestens, er verlebendigte die uralten Kompositionen ungemein und unterhielt sein Publikum, von Corti profund am Cembalo, oft auch von Nikitassova an der Geige energisch, gertenschlank und äußerst beweglich unterstützt. Solistisch bot Corti das längste überlieferte Cembalostück von Girolamo Frescobaldi dar, „Cento partite sopra passacagli“, hundert Variationen über ein ganz kurzes Tanz-Thema. Ein insofern rätselhaftes Stück, weil die Zahl nicht stimmt und außerdem auch noch ein anderes Thema variiert wird. Zweifellos ist es im Einzelnen hochinteressant, wie Frescobaldi dieselbe Phrase immer neu zu begleiten und zu umspielen weiß, aber zugleich auch irgendwie eigenartig. Corti spielte das mit überlegenem Zugriff ungemein glänzend und funkelnd, so dass keine Wünsche übrig bleiben. Viel Schönes boten die Musiker im Trio, Duett oder allein – es im Einzelnen zu würdigen, ist wegen der Kürze der Sätze kaum möglich. Der Favorit des Rezensenten war indes die Violinsonate in A-Dur von Wolfgang Briegel, mit Cembalobegleitung. Mehrfach setzt sie in rezitativisch freier Gestaltung an, singt von Sehnsucht und unglücklicher Liebe, um dann lied- oder arienhafte Formen zu streifen. Plamena Nikitassova spielte das auf ihrer kostbaren frühbarocken Violine so entschlossen expressiv, virtuos durchstilisiert, hoch komplex und klanglich raffiniert ausgestaltet, dass man sich nur darüber freuen konnte. Und am Ende dürften sich alle einig gewesen sein: Wenn man diese alte Musik heutigen Hörern nahebringen will, dann muss man es so machen, wie Plamena Nikitassova, Maurice Steger und Francesco Corti. Großer, verdienter Applaus.

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