Grünstadt Die bekannteste unbekannte Band

Nicht unspektakulär ist der „X-Mas-Rock“ des Rock-im-Hinterland-Vereins am Samstag, 20. Dezember: Eine der international bekanntesten Ska-Bands, The Busters aus Wiesloch, startet im Obrigheimer Rosengarten ihre Wintertournee durch Deutschland. Vorher auf der Bühne: Tom Hapkes Schulband und die Metaller von Silva Diva. Busters-Gitarrist Alex Lützke ist in der Musikszene der Region seit 30 Jahren kein Unbekannter. Roland Happersberger wollte von ihm wissen, was es mit Ska auf sich hat.

Alex, ab und zu tauchen in der Region die Busters als bekannteste Ska-Band Deutschlands auf. Aber ansonsten findet Ska wohl kaum statt?

Ja, keiner kann mit Ska etwas anfangen, nur die, die sich damit beschäftigen. Und doch: Ich finde es ein besonderes Phänomen, dass eine Band seit 27 Jahren zusammen ist, zum Teil in der selben Besetzung, und in ihrer Szene weltweit bekannt ist, was aber nicht jeder weiß, weil es nicht im Radio stattfindet. Ich wage zu behaupten: Die Busters haben in 27 Jahren Erfolge erzielt wie kaum eine andere Band. Aber Ska hat keine wirklichen Weltstars hervorgebracht, sondern ist eine Szenemusik geblieben: Es gibt keinen Elvis, kein Metallica, keinen Grönemeyer. Fast alle Skamusiker sind in London verarmt gestorben, weil es keiner zu Weltruhm gebracht hat. Ska, so sagt uns das Lexikon, ist in den 1950er Jahren in Jamaika entstanden, weil man dort mit den neuen schnellen Rock’n’Roll-Platten nichts anfangen konnte und einen eigen Musikstil kreierte, aus dem sich Reggae und Rap entwickelt haben. Wie kommt das nach Wiesloch? Es gab drei Ska-Wellen: in den 50er Jahren in Jamaika, in den 70er Jahren in England, und dann die dritte Welle. Das war in den 80ern. Da gab’s etwa Bad Manners, die kannte man, und die haben die Busters inspiriert. 1987 war das. Und ich bin bei denen der neue Gitarrist – seit 20 Jahren. Wie hast du dich auf Ska zubewegt? Witzigerweise war ich auf den ganzen Busters-Konzerten vorher auch, weil mir die Musik einfach Spaß gemacht hat, während ich mit meiner Band Palatinate eher Melodic Metal gemacht habe. Ich bin dann dem Markus Sprengler von Palatinate zu den Busters gefolgt, aber er ist ja auch seit zehn Jahren nicht mehr dabei. Die Busters sind wirklich international bekannt? Da Ska-Musik eine weltvernetzte Musik ist, kennen sich die Bands auch weltweit und laden sich gegenseitig ein. Die Busters haben in den USA gespielt, in Spanien, Italien, Österreich und der Schweiz. Es gab eine Japan-Tournee vor acht Jahren, und vor drei Jahren waren wir in Venezuela. In den genannten Ländern ist Ska noch viel bekannter als bei uns. Das Größte war, in Caracas auf die Bühne zu gehen, da war ein Riesenverkehrskreise gesperrt, und dort standen 3000 oder 4000 Leute. Oder in Japan: Ein großer Musikclub ist mit 1000 Leuten voll, und es geht ab. In Japan gibt es sogar ein Band, die uns covert. Und wie ist die? Gut, doch. Deswegen sage ich: die Busters sind die bekannteste unbekannte Band. Ich bin in der Band seit 2008 zuständig für das Booking, ich organisiere die Tournee, die jetzt beginnt, und die Auslandssachen und die Festivals. Wir könnten im Ausland viel mehr spielen, wenn die Band nicht so groß wäre: Elf Musiker. Wir bekommen eine Menge Anfragen aus Mexiko, Brasilien, Russland, Indien und – wo Ska ganz groß ist – Indonesien. Aber wenn’s heißt: Wir müssen 14 Leute hinfliegen, dann ist das meistens nicht zu bezahlen. Die Japaner sind geschäftstüchtig, die haben dafür Sponsoren gefunden, und nach Venezuela ging’s über das Außenministerium, als Beitrag zum Jubiläum der Bolivar-Revolution. Dort ist das Benzin billiger als Wasser und kostet pro Liter nur 0,5 Cent, das heißt: das ist für die Bevölkerung frei. . Bei soviel Bewegung gibt es bestimmt auch viele Tonträger? 17 Alben, 15 Maxisingles und zwei DVDs in 27 Jahren. Für das neue Album „Supersonic Eskalator“ haben wir uns vier Jahre Zeit gelassen. Warum das? Bei uns ist ein neuer Mann eingestiegen, als zweiter Sänger neben Ron Marsmann: Dr. Ring-Ding. Er und wir sind die deutschen Ska-Dinosaurier. Bei uns heißt er Richie Alexander, das ist sein richtiger Name. Er macht seit 2013 bei uns mit und parallel seine eigenen Projekte. Es hat etwas gedauert, bis wir zusammengekommen sind, aber jetzt konnten wir eine Platte machen, die stimmig ist. Denn er kennt sich richtig aus in der Ska-Welt. Wie hält eine Band 27 Jahre zusammen? Die Band ist aus Wiesloch, die meisten kennen sich aus dem Sandkasten. Die haben sich schon damals gegenseitig die Schippen auf den Kopf geschlagen und doch weitergespielt, und genauso ist es bei uns auch heute: Wir geraten auch in Streit, aber eine Stunde später ist alles vergessen. Das ist das Schöne. Du bist da voll hineingewachsen? Ja. Nochmal zurück zur Musik. Wie würdest du Ska charakterisieren? Ska wird immer bezeichnet als schneller Reggae mit Bläsersatz, Das ist kribbelig, lebhaft, tänzerisch, fröhlich, immer mit dem charakteristischen Off-Beat: Ein Vierer-Takt, der nicht auf dem ersten und dritten, sondern auf dem zweiten und vierten Viertel betont wird. Immer im Vierertakt? Ja, es ist immer der gleiche Grundrhythmus, mal schneller, mal langsamer, mal souliger, mal flotter. Wovon handeln die Texte? Och, das Übliche, vor allem viel Ironie. Das Übliche? Na, Liebe, Gesellschaftskritik, aber, wie gesagt, mit viel Ironie. Wir haben einen guten Songwriter, unseren Schlagzeuger Stefan Breuer, der macht die meisten Texte und Kompositionen, vielleicht 60 Prozent, der Rest verteilt sich. Wir lassen viele andere Musikrichtungen einfließen und probieren aus, ob das Publikum das mitmacht. Wir haben ein Set von zweieinhalb Stunden und die Leute bleiben da – das ist nicht bei jeder Skaband so. Es sind ja auch alles sehr professionelle Musiker: Farin Urlaub, Sänger der „Ärzte“, lieh sich zum Beispiel die Bläser für sein Soloprojekt aus, und selbst genrefremde Top Acts wie Laith al Deen, No Angels oder Helene Fischer griffen schon auf die Musiker der Band zurück. Also nicht das ganze Jahr Busters? Nein, vor allem im Winter. Da gibt’s immer die Zwei-Monate-Städtetour durch deutsche Großstädte, manchmal auch in die Schweiz und nach Österreich, und im Sommer vereinzelt Festivals: Summer Jam, Chiemsee Reggae, Open Flair, Greenfield CH. Es ist uns wichtig, jedes Jahr zur selben Zeit am selben Platz zu sein. Im Hamburg sind wir jedes Jahr ausverkauft, da müssen wir Leute wegschicken. Wie kommen die Busters nach Obrigheim? Na ja, wir haben da schon paarmal beim Festival gespielt, ich war ja auch lange im Vorstand des Rock-im-Hinterland-Vereins. Mittlerweile ist nach fünf, sechs Jahren der Generationenwechsel perfekt, und die Neuen wollten unbedingt die Busters haben für den Christmas Rock. Der Bassist von Silva Diva, Benny Daniel, gehört ja auch zum Vorstand. Und für uns ist das auch sehr praktisch: Wir haben schon mehrfach nach dem ersten Tourkonzert gemerkt, dass wir was umstellen müssen. Jetzt wollen wir das mal proben. Es wird also im Rosengarten noch nicht alles perfekt sein. Danach haben wir eine Woche Zeit, und dann geht’s los: Bremen, Bielefeld, Köln, an Silvester Mannheim, an den nächsten Wochenenden dann andere Großstädte wie München und Berlin.

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