Grünstadt „Der reine Wahnsinn“

GRÜNSTADT. Weil die Erste Mannschaft des VfR Grünstadt gerade Bezirksliga-Meister wurde, war sie zuletzt wieder in aller Munde – die Meistermannschaft des VfR von 1979. Die Älteren mögen sich noch erinnern: Vor fast genau 35 Jahren, am 6. Juni 1979, kam es auf dem Sportgelände in Eppstein zu einem Entscheidungsspiel um die Meisterschaft in der Bezirksliga Vorderpfalz und dem damit verbundenen Aufstieg in die Verbandsliga Südwest: Vor der einmaligen Kulisse von 3000 Zuschauern besiegte die VfR-Elf von Spielertrainer Bernhard Oberle den favorisierten FSV Oggersheim mit 3:0 (1:0). Wir fragten uns: Was ist aus dem Grünstadter Erfolgscoach eigentlich geworden?

Nein, schwer aufzuspüren war er nicht gerade. Der heute 67-jährige Ruheständler und ehemalige Bankkaufmann ist immer noch auf dem Platz zu finden und nach wie vor fußballbesessen. Oberle wirkt als Jugendkoordinator beim VfR Grünstadt kräftig mit, versäumt kaum ein Spiel im Aktiven- und Jugendbereich und ist als Berater tätig. An die Meisterschaft, seine Meisterschaft, erinnert sich der 67-Jährige noch sehr lebhaft. Oberle hatte bereits 1976/77 die Erste des VfR Grünstadt zum Titel in der A-Klasse Nord geführt und den Sprung in die Bezirksliga Vorderpfalz geschafft. In der Saison 1977/78 wurde die Elf unter seiner Regie Dritter. Ein Jahr später folgte dann der große Wurf: Grünstadt lag nach der Saison punktgleich mit dem FSV Oggersheim (47:21 Punkte, 72:38 Tore) auf Platz zwei, hatte dabei das schlechtere Torverhältnis (60:37), was im Amateurfußball bekanntlich nicht zählt. So musste ein Finale in Eppstein die Entscheidung bringen. Würde der VfR erstmals in die höchste Liga des Südwestdeutschen Fußballverbandes (SWFV) aufsteigen? Die Buchmacher – das Spiel konnte im Totoblock getippt werden – sahen Oggersheim als Favoriten an. Der Autor dieses Artikels war damals dabei. Wie so viele. Unzählige Fahrzeuge aus Grünstadt und Umgebung fanden in Eppstein kaum Parkplätze, die Sportanlage schien ob der großen Zuschauerkulisse aus allen Nähten zu platzen. Der FSV-Anhang siegessicher, es herrschte angespannte Stimmung. Aber alles blieb friedlich. Keine Krawalle. Oggersheim wollte nach vier vergeblichen Anläufen endlich in die neue Verbandsliga Südwest. Der damalige -Reporter Hans-Dieter Conrad schrieb: „Für Trainer Günter Schwanczar, der nach sechsjähriger Tätigkeit den Verein heuer in Richtung VfR Friesenheim verlassen wird, war es ein ziemlich schmerzlicher Abschied von Oggersheim. Dabei hätten die Oggersheimer vor 3000 Zuschauern bereits in der ersten Hälfte die Partie für sich entscheiden können, als Manfred Schneider und Richard Meyer zwei hundertprozentige Dinger kläglich versiebten. Im zweiten Durchgang, als Kräfte und Mut der Chemiestädter zusehends schwanden, erwiesen sich die Grünstädter als der verdiente Meister.“ In der Tat: VfR-Keeper Jörg Steinbrecher wuchs über sich hinaus. Einen der wenigen Konter vor der Pause nutzte Grünstadt, das ohne seinen verletzten Spielführer Dieter Gehrmann auskommen musste, eiskalt. Nach toller Vorarbeit von Bernd Happersberger, der auf der linken Seite über 60 Meter auf und davon ging, verwandelte Hans Serdarusic zur Führung (43.). Nach der Pause schien der Gegner konditionell am Ende, Grünstadt kam mächtig auf und nach präziser Flanke des überragenden Serdarusic gelang Werner Treptow das 2:0 (50.). Einen Alleingang schloss er zum 3:0-Endstand ab (64.). Meisterschaft und Aufstieg in die Eliteliga des Südwestens waren perfekt. Rund 1000 begeisterte Grünstadter Fans stürmten nach dem Schlusspfiff auf das Spielfeld, die VfR-Akteure flüchteten in die Umkleide. Oberle erinnert sich: „Das war der reine Wahnsinn. Oggersheim machte vor der Pause enorm viel Druck, unser Torhüter Steinbrecher war in Superform. Doch nach unserem Führungstreffer drehte sich das Spiel, wir waren einfach besser und verwerteten unsere schön herausgespielten Chancen.“ Oberle: „Damals war das Team individuell stark auf vielen Positionen besetzt, die Verbandsliga mit der heutigen Oberliga leistungsmäßig vergleichbar. Ich vermisse heute bei den sicherlich auch sehr guten Talenten oft die Leidenschaft, unbedingt gewinnen zu wollen und sich im Training zu quälen.“

x