Grünstadt Der Kabelkunde ist der Dumme

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Doch nicht immer trifft dieses Sprichwort zu. Manchmal ist der Dritte auch einfach der Dumme, muss die Folgen der Streitigkeiten ausbaden. So geht es jetzt Fernsehzuschauern, die über Kabel noch analog ihre Programme beziehen.

Seit Anfang Juni speist Kabel Deutschland in die Mehrzahl der analogen Netze von Rheinland-Pfalz nicht mehr das dritte Programm des Hessischen Rundfunks ein und hat im Bereich Neustadt, zu dem Grünstadt gehört, auch BR-alpha abgeschaltet. Stattdessen finden sich auf diesen Sendeplätzen jetzt RTL nitro und ein Shopping-Kanal. Nach Experten-Meinung ist der Grund dafür, dass die Kabelnetzbetreiber sich bundesweit mit den öffentlich-rechtlichen Sendern über die Einspeisungsentgelte zoffen, nachdem ARD und ZDF zum Jahresende 2012 die Verträge über diese Gebühren gekündigt haben. Über die Unzufriedenheit der Kabelkunden solle Druck auf die Öffentlich-Rechtlichen gemacht werden. Dies bestätigt Kabel Deutschland, das in Rheinland-Pfalz das Monopol hat, natürlich nicht. Der Programmwechsel wird damit begründet, dass das Unternehmen regelmäßig das analoge Programm mit seinem beschränkten Platzangebot überprüfe und „seinen Kunden stets attraktive Inhalte bieten möchte, die eine hohe Beliebtheit bei den Zuschauern haben“. Eine fadenscheinige Argumentation, denn die Bezieher des analogen Kabelfernsehens sind meist ältere Zuschauer, die noch keinen digitalfähigen Fernsehapparat haben. Sie werden in der Regel kein Interesse an RTL nitro haben, da dieses seinen Schwerpunkt auf einen „männerorientierten Programm-Mix“ setzt, auf das männliche Publikum zwischen 20 und 59 Jahren abzielt. Gezeigt werden meist alte Spielfilme, deutsche und US-Serien. Und im Bildschirmtext findet sich außerdem Werbung für Sexangebote. Eine rechtliche Handhabe gegen diese Änderung gibt es nicht, informierte auf Anfrage die Verbraucherzentrale in Mainz, da Kabel Deutschland die Vorgaben des Landesmediengesetzes einhalte. Dort sei festgelegt, dass im analogen Kabelprogramm mindestens zwei dritte Programme eingespeist werden müssen. Und da die Dritten von SWR, WDR und BR hierzulande weiter zu sehen sind, sei der Kabelnetzbetreiber weiter gesetzeskonform, sagt Michael Gundall, Fachberater Fernsehen der Verbraucherzentrale. Natürlich sei es möglich, sich bei Kabel Deutschland zu beschweren, aber eine Rücknahme der Umbelegung sei nicht zu erwarten, so Gundall. Daher könne man sich eigentlich den Brief sparen. Wer weiter Hessen 3 oder BR-alpha sehen wolle, müsse sich das wohl oder übel etwas kosten lassen und auf digitales Fernsehen mit seiner größeren Sendervielfalt umsteigen. Die günstigste Variante sei die Anschaffung eines Kabel-Receivers. Einfache Modelle gebe es schon für 50 bis 100 Euro. Eine andere Möglichkeit wäre, sich gleich einen neuen Fernseher mit integriertem Receiver zu kaufen. Wer im Eigenheim wohnt, könne auch eine Satelliten-Anlage installieren und den Kabelvertrag kündigen. In der Regel betrage die Kündigungsfrist drei Monate zum Ende des Vertragsjahres. Bei ganz alten Verträgen gebe es noch kürzere Laufzeiten. Gundall weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass analoges Fernsehen ein Auslaufmodell sei. 60 bis 70 Prozent der Zuschauer nutzten schon das digitale Angebot. Und für jene, die jetzt Geld locker machen müssen, um ihr Wunschprogramm weiter sehen zu können, hat er noch einen kleinen Trost parat: „Mit dem Umstieg aufs digitale Fernsehen ist ein Qualitätssprung verbunden.“

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