Grünstadt Das Dorf swingt

91-86242662.jpg

Mit Joscho Stephan konnte die Lange Nacht des Jazz in Großkarlbach am Samstag einen internationalen Star präsentieren. Der Gitarrist spielte mit seinem Quartett Gypsy-Jazz in der protestantischen Kirche. Auch an den sechs weiteren Spielorten gab es für rund 950 Besucher hörenswerten Blues, Boogie und Swing. Ein Rundgang.

Los geht’s im Alten Weingut. Mit ihrer Band Midnight Preachers stimmt Sängerin Sydney Ellis gerade „Stormy Monday“ an – gleichermaßen ein Klassiker für Jazzer und Bluesmusiker. Ellis nimmt das Stück nicht als langsamen Blues, sondern stürmt zügig in den stürmischen Montag: Die Band lässt einen Boogie-Rhythmus rollen. Etliche Zuhörer wippen mit. Bei „Trouble in my Head“ hört man einen deutlichen Gospel-Einschlag. Die Sängerin hat eine große Stimme und ein enormes Blues-Gefühl. Die Harmony Hoppers im Sekthof nennen sich „Young Dixiland Allstars“ und haben sich der ältesten Spielart des Jazz verschrieben, dem Dixieland und Hot Jazz. Der Sound ist geprägt vom „plink-plink“ des Banjos und dem „schrapp-schrapp“ auf dem Waschbrett. Das Fundament liefert das „wump-wump“ der Tuba, meist im Wechsel mit dem Bass. Tubist Holger Renneberg zeigt, dass dieses wuchtige Instrument auch ganz leichtfüßig tänzeln kann. Über allem schwebt die Klarinette, die sich elegant improvisierend durch die Akkordfolgen schwingt. Ab und zu greift Klarinettist Jochen Hein zu einem Megafon und singt. Das klingt dann fast wie von einer alten Grammophonplatte. Im Sternenhof spielen Wilhelm Wolf & Die Möblierten Herren im 20er-Jahre-Look, mit Batschkapp und Hosenträgern, die Musik dieser Zeit – mit deutschen Texten. Da darf sich auch mal ein Schlager aus den frühen 60er Jahren dazwischen schmuggeln und fragen: „Was macht der Mann da, auf der Veranda?“ Jazz mit skurrilen Texten war in Deutschland in den wilden Zwanzigern sehr beliebt, bis die Nazis Musiker und Musik buchstäblich vernichteten. Aus derselben Zeit, aber von der anderen Seite des Atlantiks, stammt der Boogie Woogie. Boogiemens Friends, das sind zuerst mal der junge Ulrich Zenkel (Jahrgang 1991) und Marc Hupfer, Jahrgang 1968, die sich im Bärenhof an zwei elektrischen Klavieren gegenüber sitzen. Da rocken und rollen die Boogie-Bässe in der linken Hand nur so. Das Schlagzeug unterstreicht schön den fetzigen Rhythmus. Etwas ruhiger wird es, als Sängerin Daney auftritt und nur begleitet von Marc Hupfer den bekannten „St. Louis Blues“ von W. C. Handy singt. Die junge Sängerin, die gerade ihr Jazzstudium abgeschlossen hat, beeindruckte mit viel Gefühl. Alexander Katz ist in der Rheinmühle schon Stammgast. Jedes Jahr kommt er mit einer neuen Formation, diesmal als Al Cat and the Roaring Tigers. Mit dabei auch eine Tigerin, Tochter Rebecca-Madeleine. Im Mittelpunkt des Programms steht der Altist Johnny Hodges, der Jahrzehnte lang für Duke Ellington komponierte und arrangierte. Die acht Musiker verwandeln die alte Scheune in den Cotton Club der 30er Jahre. Die vierstimmige Bläser-Sektion hat einen tollen Sound – und kann auch leise, etwa als harmonischer Hintergrund zu „Mood Indigo“. Alligatoren gibt es im Eckbach nicht, stattdessen sind die Alligators of Swing im Caféhaus am Eckbach. Das Trio spielt Boogie, Swing und Blues mit Klavier, Saxofon und Kontrabass. Das Trio aus Franken stimmt mit kurzweiligen Anekdoten auf seine Stücke ein, etwa den 40er-Jahre-Hit „Alligator Meat“, den Saxofonist und Sänger Stefan Scholz als „Sommer-Grill-Hit“ anpreist. Und natürlich ist der „Marie Juana Boogie“ einer mexikanischen Schönen gewidmet, nicht etwa irgendwelchem Zeug zum Rauchen. In der protestantischen Kirche schließlich spielt mit Joscho Stephan einer der ganz großen Virtuosen des Gypsy-Jazz. Sein Vater Günter schrappt die Rhythmusgitarre im typischen „Pompe Manouche“-Stil, Kontrabass und Violine komplettieren das Quartett, das sich dem Stil Django Reinhardts verschrieben hat. Im Repertoire sind Klassiker wie „Take the ,A’ Train“, das die Musiker zunächst mit Zitaten aus anderen Stücken als Ratespiel für Kenner variieren. Erst im letzten Chorus ist das bekannte Thema zu hören. Ein eigenes Stück von Joscho Stephan ist seinem großen Vorbild gewidmet: „Ballade pour Django“. Der Gitarrist beeindruckt mit Läufen in unglaublichem Tempo und brennt selbst in langsamem Tempo ein Feuerwerk ab. Das Quartett spielt drei Sets à 40 Minuten, um möglichst vielen Leuten Gelegenheit zu geben, zuzuhören. Zu Recht gilt Stephan als führender Gypsy-Gitarrist, der den Reinhardt-Stil weiter entwickelt und in die Gegenwart führt.

x