Frankenthal „Schrift zieht mich magisch an“

Kriminalgeschichten etwas anders oder „Vor Überraschungen ist man nie sicher“ – zu einer spannungsgeladenen Lesung lädt Sieben Mühlen Kunst- und Kulturverein Großkarlbach für Sonntag ein. Aus der Künstlerinnengruppe Kunstfaser sind drei Literatinnen in der Ausstellung der Malerin Ingrid Kußmaul zu Gast. Eine davon ist die Beindersheimerin Marija Schmidt.

„Ich schreibe, seit ich schreiben kann.“ Wann genau, weiß Marija Schmidt nicht mehr. Es muss wohl irgendwann in den 50er-Jahren in Zagreb gewesen sein, wo sie 1948 geboren ist. Schreiben und Lesen - das ist bei ihr wie eine Sucht. „Noch heute kann ich an keinem Flyer, an keinem Plakat vorbeigehen, ohne nicht drüberzuschauen. Die Schrift zieht mich einfach magisch an“, sagt die 65-Jährige, für die Deutsch durch den österreichischen Großvater väterlicherseits quasi die zweite Muttersprache war. Und so war es für sie auch selbstverständlich, sich in Deutsch auszudrücken, nicht erst seit die Zwölfjährige mit der Familie nach Deutschland übersiedelte. Doch an die Öffentlichkeit trat Marija Schmidt erst in den 1980er-Jahren, schloss sich verschieden literarischen Gruppen in der Metropolregion an und war um die Jahrtausendwende Gründungsmitglied der Künstlerinnengruppe Kunstfaser, zu der Malerinnen wie Literatinnen zählen. Dazwischen lag die Familienphase: Sie ist Mutter einer Tochter und stolze Großmutter zweier Enkelkinder. Ihre literarische Liebe gehört als Leserin wie Autorin den Kurzgeschichten. „Ich bin Hemingway-Fan“, sagt sie, aber auch Bücher von Alice Munro oder Katherine Mansfield zählen zu ihren bevorzugten Lektüren. Bei Kurzgeschichten reize es sie, möglichst dicht und präzise zu formulieren und dennoch so ausführlich wie nötig zu erzählen. Außerdem bekennt sie: „Für einen Roman hätte ich keine Geduld.“ Marija Schmidt sieht sich als Prosaschreiberin, doch seit ein paar Jahren verfasst sie auch Gedichte und lyrische Texte. „Manchmal glaube ich, dass eine Stimmung, ein Bild durch zu viele Worte zerredet würden, dass ich eine noch kürzere Form brauche - dann schreibe ich ein Gedicht“, erklärt sie. Schreiben, das sei Handwerk, bei einer gewissen Güte dem Kunsthandwerk vergleichbar. Literatur als Kunst ginge darüber hinaus. Sie selbst stelle an sich einen hohen Anspruch, aber dennoch bleibe es ein Hobby, sei sie keine professionelle Schriftstellerin und habe ja auch ihren Alltag zu bewältigen. Privat sei sie neugierig auf Menschen, auf deren Geschichten, sie interessiere sich für jede Form der Kunst, liebe die Natur, ihre Katze. Ein Steckenpferd sind Psychologie, Philosophie und Biologie, also das, „was die Welt zusammenhält“. Wissensgebiete, die ihre Kurzgeschichten beeinflussen. Denn darin beschäftigt sich Marija Schmidt „mit dem Alltag und den Beziehungen der Menschen untereinander“. Die seien für sie ein „Spiegelbild des großen Geschehens. Wenn ich nicht Friede habe mit meinem Nachbarn, wie soll ich Frieden mit einer anderen Nation haben?“ Kriminalgeschichten verfasse sie eher selten. Hier sei zwar Tat oder Untat notwendiger Bestandteil, doch ihre Geschichten kreisten weniger um die Auflösung, mehr um die Beziehungen der Protagonisten untereinander. Schmidt seziert, welche Prozesse zur Tat führen. „Oft sind es viele kleine Nadelstiche über Jahre hinweg, und dann gibt es urplötzlich die Explosion.“ Und woher nimmt sie ihre Geschichten? Aus Gerichtsprozessen? „Nein, nein, das ist nicht meins. Meine Geschichten denke ich mir aus, aber sie resultieren auch aus meiner Lebenserfahrung. Wenn man etliche Jahre auf dieser Erde lebt, kriegt man um sich herum doch so einiges mit.“ Marija Schmidts Kurzgeschichten und Gedichte gibt es zwar gedruckt, aber nur einzeln in Anthologien, also Sammelbänden. „Am Herzen liegt es mir, mit den Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen, weniger, sie als Buch gedruckt zu sehen“, sagt sie. Ein Abdruck, das wäre, schildert die 65-Jährige, „als wenn ich meine Kinder in die Welt entlasse, keinen Einfluss mehr auf sie habe, sie plötzlich Jedermanns Sache sind“.

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