Frankenthal Meisterlicher Klavierabend

Es war ein beeindruckender, ein ergreifender Abend, den der Heidelberger Pianist und Präsident der Mannheimer Musikhochschule Rudolf Meister dem Publikum im Konzertsaal der städtischen Musikschule Frankenthal bot. Nach der Zugabe hatte man am Mittwoch das Gefühl, selbst an dem großen Musikerlebnis mitgearbeitet zu haben, spürte intellektuelle wie körperliche Spuren, die der Weg durch die eben dargebotenen Werke hinterlassen hatte.

Rudolf Meister spannte einen Bogen von den Höhepunkten der Wiener Klassik über die Schubert’sche Suche nach neuen Ufern hin zu dem Urknall einer amerikanischen Kunstmusik in Gestalt von Gershwins „Rhapsody in Blue“. Als überaus erfolgreicher Musikpädagoge ließ er keine Gelegenheit aus, seinem Publikum Hinweise zum Verständnis der Werke zu geben. Joseph Haydns Spätwerk Andante con variazioni f-moll bereitete der Pianist in einem romantischen Dualismus von Melancholie und Trost auf. Altersweisheit und Toleranz des Komponisten sprachen aus dem ebenso disziplinierten wie gefühlsbetonten Spiel Meisters. Die Interpretation erlaubte Blicke in Abgründe und bewahrte doch immer ein versöhnlich heiteres Gemüt. Ganz anders erklang dann Ludwig van Beethovens – ebenfalls in f-moll geschriebene – Appassionata. Hier ließ der Künstler der dämonischen, in gewaltiger Dynamik, ebenso erschütternden wie verzaubernden Tonsprache des Komponisten ungezügelten Lauf. Ein grandioses Kaleidoskop mit unerschöpflichem Reichtum an Klangfarben und Tongebung tat sich auf, gewaltige Eruptionen und furioses Spiel rissen das Publikum mit. Im zweiten Satz analytisch, sezierend, löste Meister das Werk in melodische Sequenzen auf, schwelgte im Liedhaften, um dann in heiter, verhaltenem Gemüt zu brillieren. Im Allegro ma non troppo trumpfte der Pianist auf, legte ein atemberaubendes Tempo vor und kontrastierte das rasante Spiel mit gefühlsbetonten lyrischen Passagen. Nach Franz Schuberts A-Dur-Sonate D 664 – Meister spielte sie recht cantabile, versäumte aber nicht auch kraftvolle Eckpunkte zu setzen – kam mit der „Rhapsody in Blue“ ein weiterer musikalischer Markstein. Wie schon bei Beethovens Sonate legte der Solist ein kompromissloses, markantes, bisweilen schroffes Spiel an den Tag, arbeitete Themen und Motive konturenstark heraus, agierte gestaltungsfroh und extrem dynamisch. Diese Spielweise erfüllte den Anspruch eines Klavierabends. Meister filetierte das Werk und hauchte jedem Part eine eindruckvolle Authentizität ein. Zu Beginn des Abends bot sich den Besuchern nochmals ein vertrautes Bild. An der Tür empfing sie Hans-Jürgen Thoma. Schon 39 Jahre mache er das, seit 27 Jahren unterstütze die Pfälzische Musikgesellschaft die Musikschule bei ihren Konzerten, sein reguläres Dienstverhältnis zähle gerade noch mal zwei Stunden, ließ er die Gäste wissen. Dass Meister heute spiele, habe er sich gewünscht. Zeige dies doch, dass ein kräftezehrender Job das Musizieren auf hohem künstlerischen Niveau nicht ausschließe. Bewiesen hat das auch Thoma, der sich in seiner Zeit als Leiter der Frankenthaler Musikschule auch einen Namen als Musiker machte. Mit seinem Trio Sanssouci starte der Workaholic schon am Morgen nach dem Konzert zu einer Tournee. Thoma und Meister verbindet der Einsatz für den musikalischen Nachwuchs. Herausragende Talente wie der Pianist Marc Lohse wurden so schon als Teenager an die Hochschule herangeführt.

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