Frankenthal Genüsslich den Garaus gemacht

Voll im Zeichen der kriminalistischen Spannung stand die Lesung im Kulturtreff Altes Rathaus in Großkarlbach, zu dem der Sieben Mühlen Kunst- und Kulturverein im Rahmen der Ausstellung von Ingrid Kußmaul geladen hatte. Katrin Kirchner, Marija Schmidt und Margot Hella Scherr betitelten ihren literarischen Nachmittag „Vor Überraschungen ist man nie sicher“ und sorgten vor 20 Zuhörern für Vergnügliches rund um den zumindest für das Opfer recht überraschenden Todesfall.

Alle vier sind Gründungsmitglieder der Künstlergruppe Kunstfaser. Zuerst durfte man Marija Schmidt bei ihren Überlegungen folgen, wie denn so ein „klitzekleiner Mord“ auf dem Papier hinzukriegen sei, und auf welche literarischen Schwierigkeiten sie bei der Entscheidung stieß, wer denn wen warum umbringen möchte und wohin dann mit der Leiche. In „Der Abschied“ wurde sie gleich deutlicher, als sie nach der wohlig anschaulich beschriebenen Atmosphäre der Strandidylle am letzten Urlaubstag dem Ehemann wieder nichts recht machen kann. So unterlässt sie denn auch jegliche Anstrengungen, ihm beizustehen, als er beim letzten Schwimmgang in Not gerät. Ist das schon Mord? Katrin Kirchner erinnerte an den Vorläufer des heutigen Boulevard oder Krimis, die Moritat, die vor Radio und TV das Bedürfnis der Zuhörer nach den schrecklichen Geschichten, die das Leben so schreibt, stillten. Um es zu beweisen, lasen die drei zum Spiel einer kleinen Tischdrehorgel mit Lochkarte die Geschichte von Paulinchen, deren Hantieren mit den Zündhölzern so drastische Folgen hatte. Kirchners erste Mordgeschichte klang daraufhin erst einmal ganz harmlos: War die Mitbewohnerin „im noblen Seniorenschloss“ einem an Diabetes leidenden Nachbar doch nur mit einem Insulin-Pen zu Hilfe geeilt. Schnell stellte sich aber heraus, dass sie dem Ekel, der ihre beste Freundin um ihr Erspartes erleichtern wollte, bewusst eine zu hohe Dosis verpasst hatte. Die Schreiberinnen spickten eigenes Erleben in ihre Krimis. Ein Urlaubsgebiet in Kroatien von Schmidt oder Kirchners 25-jährige Erfahrung mit Seniorenbetreuung taugten dazu, dort einmal einen Fallfaden weiterzuspinnen. Auch Scherr schreibt aus eigener Erfahrung eines Projekts mit Künstlern in Ludwigshafen: Ein abbruchreifes Haus wurde 2009 noch einmal mit Kunst und Leben gefüllt. Jetzt noch in diesem Umfeld einen Obdachlosen sterben lassen, fertig ist die reizvolle Moritat. Das Publikum hing gebannt an den Lippen der drei Literatinnen, die ihre Geschichten mit Spannung aufbauten, die eine oder andere vergnügliche Zutat hinzufügten, indem sie ganz genüsslich den Widersachern und Ekelpaketen den Garaus machten. Genüsslich schon deshalb, weil nach der Pause bei Marija Schmidt der Mord mit Messer und Gabel erfolgte – bei einem immerzu nörgelnden Ehemann. Den früheren Lebemann, dessen Liebe zu seiner angetrauten grauen Maus nur noch durch den Magen ging, ereilte der Tod genau da, mit Gift im Digestiv. Schwelgte man gerade noch in mundwässernden Zubereitungsdetails der nächsten Geschichte von Margot Hella Scherr in der Aufschäumtechnik eines „kulinarischen Kreaten“, kam sein Ende aus der Hand der „zur Küchenperle degradierten Ehefrau“ jäh und fön-elektrisiert. Und wie liebevoll eine gestresste Ehefrau mit der Vorliebe zur Frankfurter Spezialität ihrem Frankfurter Würste-Fan den Senf ein letztes Mal zubereiten kann, durfte man in ihrer „Grünen Soße“ erfahren. Blutig ging es niemals zu, die Protagonistinnen der Kriminalgeschichten töteten leise und unauffällig, manchmal entstand der Mord nur im Kopfkino, wenn man die gerade gehörten Details weiterspann. Oder es war ganz und gar ein Unglück, wie in der Lena-Odenthal-Adaption von Scherr, bei der der Mord gar keiner war, aber das pfiffige Schmunzelende darin bestand, dass die Verdächtige viel mehr an der forensischen Aufklärung interessiert war, ob Schiller wirklich in Oggersheim Station gemacht hatte. Es endete, wie es begann, mit Paulinchen, deren Feuertod eigentlich gesühnt werden müsste, denn wo waren denn die Eltern, und warum lagen die Streichhölzer herum? Katrin Kirchner dichtete einfach ihre Version des Endes noch dazu.

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