Frankenthal „Für jeden eine Nische finden“

Seit zwei Jahren Rektor der Albert-Schweitzer-Schule: Mario Litzenburger in der Klasse 9 b.
Seit zwei Jahren Rektor der Albert-Schweitzer-Schule: Mario Litzenburger in der Klasse 9 b.

Litzenburger hofft, dass sein Konzept schnell die Gremien der Stadt Frankenthals als Schulträger und des Kultusministeriums passiert, sodass er 2019 starten kann. Unterstützung sei schon signalisiert worden. Die Förder- und Beratungszentren seien eine Initiative aus Mainz, „um die Schulen nicht mit der Inklusion alleine zu lassen“ – etwa bei Fragen zur Auswirkung einer Behinderung auf schulisches Lernen wie dem Nachteilsausgleich sowie zur Umsetzung inklusiven Unterrichts. Bewerben als Zentrum müssen sich die Schulen selbst. „Das Ziel ist, möglichst viele Kinder in der Regelschule zu behalten und Durchlässigkeit in jedem Jahrgang zu schaffen“, so Litzenburger. Umgewandelt in ein solches Beratungszentrum wurde bereits die Matzenbergschule in Pirmasens. Hier will Litzenburger mit Kollegen der beiden anderen Frankenthaler Förderschulen – der Tom-Mutters-Schule für ganzheitliche Entwicklung und der Neumayerschule als Sprachheilschule – demnächst hospitieren. Im Herbst will der Rektor auch eine Konferenz für Frankenthaler Schulen organisieren. Schon jetzt werden Regelschulen mit Förderstunden von der Albert-Schweitzer-Schule aus versorgt. Schwerpunktschulen der Inklusion seien die Pestalozzi-Grundschule, die Friedrich-Ebert-Schule und die Robert-Schuman-Schule als Integrierte Gesamtschule. „Wir werden bei Bedarf mit der sonderpädagogischen Überprüfung von Schülern beauftragt. Und wir betreuen auf Anfrage Kinder mit Lernschwierigkeiten, um eine Sonderförderung abzuwenden“, sagt Litzenburger. Wird seine Schule Beratungszentrum, rechnet der Rektor mit einer Stundenzahl im dreistelligen Bereich pro Schuljahr, die seine Pädagogen in anderen Schulen tätig sein werden. „Da hoffe ich auf mehr Lehrkräfte. Bei einer Umwandlung wird ein anderer Berechnungsschlüssel herangezogen“, sagt Litzenburger noch etwas vage auf die Frage nach der Größenordnung einer Aufstockung. Ändern müsse sich dann auch die Unterrichtsstruktur an der Albert-Schweitzer-Schule selbst: Zehn bis 14 Schüler sollen künftig in Teams mit zwei Lehrkräften betreut werden, damit ein Lehrer punktuell woanders eingesetzt werden könne. Im Moment besteht das Kollegium der Albert-Schweitzer-Schule aus 40 Lehrern und reinen Pädagogen. Rund 140 Kinder werden in elf zum Teil altersgemischten Klassen unterrichtet von der ersten bis zur neunten Jahrgangsstufe. „Wir wollen für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren und sind eher an den Unterrichtsplan gebunden“, erklärt Litzenburger den Unterschied zu den beiden anderen Förderschulen der Stadt. An der Tom-Mutters-Schule stünden eher lebenspraktische Ziele im Mittelpunkt. Die Schulabgänger wechseln danach meist in eine Behindertenwerkstatt. Die Neumayerschule sei eine Sprachheilschule und betreue nur Kinder der ersten und zweiten Klasse, die danach in eine Regelgrundschule wechselten. Nach der neunten Klasse schaffe es ein Teil seiner Schüler – Litzenburger schätzt etwa zehn Prozent – mit dem Berufsvorbereitungsjahr etwa in der Ludwigshafener Schule an der Blies bis zur Berufsreife (dem früheren Hauptschulabschluss). Ab und zu bringe es einer seiner Schüler sogar bis zur Mittleren Reife. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Aber die Schüler müssten eng begleitet werden, betont der Rektor. „Dafür brauchen wir die Elternhäuser als Unterstützung im Hintergrund“, schon um einen regelmäßigen Schulbesuch sicherzustellen oder ein Berufspraktikum nicht zu schmeißen. „Ich habe eigentlich jeden Tag Gespräche mit Eltern, um sie zu motivieren, den Schulkurs mitzugehen.“ Das sei aus vielerlei soziokulturellen Gründen nicht immer gegeben. Hilfreich, aber auch nicht immer erfolgreich sei die Schulsozialarbeit. Seine Schule arbeite zudem eng mit der Bundesagentur für Arbeit zusammen. „Wir gehen mit jedem Schüler und seinen Eltern in die Beratung, damit uns möglichst keiner verlorengeht.“ In Praktika und vor allem im Fach Arbeitslehre sollen die jungen Leute für die Anforderungen in der Berufswelt fit gemacht werden. Weiter verstärken will der Rektor die Ganztagsbetreuung an der Albert-Schweitzer-Schule, die in den zwei Jahren seiner Amtszeit von knapp 70 auf jetzt 106 Schüler gestiegen sei. Denn nachmittags hätten die Lehrer auch mal die Chance, pädagogisch einzuwirken und vielleicht individuell Lerninhalte nachzuarbeiten. Auch Englisch werde dann als Arbeitsgemeinschaft angeboten. „Mein Ziel ist es, für jeden Schüler eine Nische zu finden und ihn nicht in Hartz IV zu entlassen. Doch mit unserem Bildungsgang allein haben die Kinder nur ganz geringe Chancen.“ Zumal die Anforderungen in der Berufswelt stetig wüchsen und das Angebot einfacher Tätigkeiten schrumpfe. Viele der Jungs hätten beispielsweise ein Faible für Maschinen, doch wo früher noch die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker ausreichte, müsse es heute schon der Mechatroniker sein. Selbst in der Friseurausbildung sei heutzutage Chemiewissen gefragt.

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