Frankenthal Der pädagogische Zehnkampf

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Bis zu den Sommerferien hat Mario Litzenburger Schulen in Rheinland-Pfalz beraten und begleitet. Doch die ganz alltägliche Arbeit mit Schülern, Eltern und Lehrern hat dem 40 Jahre alten Pädagogen gefehlt. Jetzt ist er wieder mittendrin: als neuer Leiter der Albert-Schweitzer-Schule in Frankenthal.

Mario Litzenburger untertreibt ein bisschen. Er habe es seit Übernahme der Amtsgeschäfte von seiner Vorgängerin Ursula Happ erst einmal nur geschafft, sich „grob zu orientieren“. Im Gespräch mit dem neuen Leiter der Albert-Schweitzer-Schule wird allerdings rasch deutlich: Der 40-Jährige weiß nach fünf Wochen ganz genau, wohin er die Frankenthaler Förderschule mit Schwerpunkt Lernen langfristig steuern und entwickeln möchte. „Meine Vision ist das Andocken an eine Realschule plus, um unseren Kindern einen systematischen Übergang dorthin anbieten zu können.“ Mit dieser konkreten Idee Litzenburgers verknüpft ist das übergeordnete Ziel, die Welt der Förderschulen in viele Richtungen zu öffnen, Chancen und Wege zu den Regelschulen und in den Arbeitsmarkt zu eröffnen, Einrichtungen wie die Albert-Schweitzer-Schule als eine Art Ambulanz zu betrachten, die spezifische Probleme löst. „Das halte ich für erstrebenswert. Inklusion um jeden Preis sehe ich kritisch“, unterstreicht der Pädagoge. Denn die Arbeit, wie sie an einer Förderschule geleistet werde, sei ein „pädagogischer Zehnkampf“, wie es Mario Litzenburger formuliert. Die Betreuung der Kinder geht seiner Erfahrung nach über den normalen Lehrberuf und das Vermitteln von Wissen in bestimmten Fächern weit hinaus. „Letztlich sind wir Berater in allen Lebens- und Problemlagen“, sagt der Schulleiter, der acht Stunden pro Woche selbst unterrichtet. Die Herausforderung bestehe nicht zuletzt auch darin, die gewaltige Bandbreite von Klassenstufe eins bis neun abdecken zu können, erläutert Litzenburger. Von ganz grundlegenden Dingen wie Schuhe binden und Tasche packen bei den Erstklässlern bis hin zu Fragen der beruflichen Qualifizierung bei den Neuntklässlern reiche das Spektrum der Schwierigkeiten, der großen und kleinen Sorgen. Aber genau in dieses pralle und nicht immer einfache Leben einer Schulgemeinschaft aus Schülern, Lehrern und Eltern wollte Mario Litzenburger wieder zurück: „Das hat mir gefehlt, ein Kollegium, eine Schule als Ganzes nicht länger begleiten zu können, der ganze persönliche Kontakt eben.“ Bis zum Sommer war der 40-Jährige nämlich externer Teamleiter bei der Agentur für Qualitätssicherung, Evaluation und Selbstständigkeit von Schulen (AQS), einer Einrichtung des Landes, die gegründet wurde, um neben der Unterrichtsqualität eine Vielzahl von Kriterien an öffentlichen Schulen zu bewerten und deren Entwicklung zu begleiten. Dass die AQS mittlerweile aufgelöst werden soll (wir berichteten), kann Litzenburger bei aller Freude über seine neue Aufgabe in Frankenthal nicht nachvollziehen. „Die Evaluation war für jede Schule eine große Chance, sich mit der Hilfe und dem Blick von außen weiterzuentwickeln“, findet er. Exakt diese Chance zur Weiterentwicklung will Litzenburger jetzt an der Albert-Schweitzer-Schule mit seinem 35-köpfigen Team aus pädagogischen Fachkräften, Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres und Schulsozialarbeitern nutzen. Im Zentrum seines Denkens steht dabei immer die Qualifizierung der Förderschüler für den Arbeitsmarkt und deshalb beispielsweise auch die enge Zusammenarbeit mit der Berufsbildenden Schule. „Diesen Übergang für unsere Schüler, die aus einem ziemlich behüteten Umfeld mit kleinen Klassen dorthin kommen, zu erleichtern, wäre sehr wichtig.“ Die Voraussetzungen, dass aus hochgesteckten Zielen Wirklichkeit wird, schätzt Litzenburger als sehr günstig ein. Die Albert-Schweitzer-Schule sei gut mit dem Öffentlichen Nahverkehr erreichbar, es gebe viele Betriebe, einen Schulträger, „der uns sehr zugetan ist“. Und ein Schulhaus mit einer besonderen Atmosphäre. Litzenburger: „Ich liebe alte Schulhäuser mit Geschichte. Das ist immer etwas Gewinnbringendes.“

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