Frankenthal Bessere Orientierung im Bahnhof für Sehbehinderte

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Der Umbau des Bahnhofs Frankenthal bringe Menschen, die Probleme mit dem Sehen haben, bessere Orientierungshilfen. Das haben Vertreter des Blinden- und Sehbehindertenbunds Pfalz im Gespräch mit der RHEINPFALZ gelobt.

Die „Woche des Sehens“, die bundesweit bis zum 15. Oktober begangen wird, ist für Ulrike Becker-Possler (Lambsheim) und Thomas Selinger (Gerolsheim) Anlass, sich zu Wort zu melden. Sie sind selbst Betroffene, Delegierte ihres Kreisverbandes und Ansprechpartner für die öffentliche Verwaltung. Gerade in Frankenthal gebe es beachtliche Anstrengungen, auf die Bedürfnisse sehbehinderter Menschen einzugehen, sagen sie – aber auch noch Verbesserungsbedarf. Auf dem Gelände des Hauptbahnhofs seien die Orientierungshilfen nun besser als früher, sagen Becker-Possler und Selinger. Das betrifft zum einen die weißen Riffelplatten, die gerade Menschen mit Blindenstock zur Orientierung auf den Bahnsteigen dienen, und zum anderen die genoppten Flächen an wichtigen Stellen. In der Fachsprache „heißen die Aufmerksamkeitsplatten“, erläutert Selinger. Sie finden sich beispielsweise an Punkten, an denen besondere Vorsicht geboten ist. Reisende sollten diese Flächen freihalten und darauf keine Gepäckstücke deponieren. Geht man aus dem Bahnhof hinaus in die Stadt, sind die mit Ampeln gesicherten Fußgängerüberwege kritische Punkte. Akustische Signale und „Vibrationskästchen“ an den Ampelmasten helfen Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen weiter. Im Allgemeinen klappe das in Frankenthal gut, sagt Ulrike Becker-Possler. Ärgerlich sei aber, dass es am Fußgängerüberweg Friedrich-Ebert-Straße an der Polizeiinspektion nur ein zehn Sekunden langes Grün-Signal gebe, während die Grünphase tatsächlich 30 Sekunden dauere. Was den Verbandsvertretern fehlt, ist ein Orientierungssystem in der Fußgängerzone, vergleichbar den Platten im Bahnhofsbereich. Klar sei, dass man so etwas nicht von heute auf morgen realisieren könne, sagen sie. Mittelfristig solle sich die Stadt damit auseinandersetzen. Mit Stühlen oder aufgestellten Hinweistafeln auf Verkehrsflächen komme man im Allgemeinen zurecht. Problematisch seien aber etwa Plakate oder Schilder, die in Kopfhöhe in Wegstrecken hineinragten; da bestehe Kollisionsgefahr. Gut finden die Betroffenen, wie die Stadt Frankenthal mit dem Thema Bordsteinabsenkungen umgeht: „Die Stadt lädt zweimal im Jahr zu Gesprächen darüber ein. Die Behindertenbeauftragte Birgit Löwer ist regelmäßig dabei“, so Becker-Possler. Während Rollstuhlfahrer eine Absenkung auf das „Niveau null“ bevorzugten, sei für Sehbehinderte ein Höhenunterschied von drei Zentimetern ein guter Kompromiss, der bei der Orientierung helfe. Gefragt seien aber nicht nur technische Orientierungshilfen, sondern auch Mitmenschen, die respektvoll und vorausschauend mit Personen umgehen, deren Sehvermögen eingeschränkt ist, sagen Selinger und Becker-Possler als Betroffene. Der Maschinenbauingenieur Selinger, 20 Jahre als Professor an der Hochschule Mannheim tätig, musste 2011 in den vorgezogenen Ruhestand gehen. Der heute 60-Jährige leidet an Retinitis pigmentosa; bei dieser Krankheit „sterben die Sehzellen peu-à-peu ab“, sagt er. Ulrike Becker-Possler hatte bis 2009 33 Jahre als pharmazeutisch-technische Assistentin gearbeitet, als sie einen Netzhautriss erlitt – ausgerechnet „im Punkt des schärfsten Sehens“. Viele Menschen, die das Blinden-Abzeichen tragen oder einen weißen Stock mit sich führen, verfügen über ein Rest-Sehvermögen. Gerade das führe im Alltag zu Irritationen, weiß Selinger. „Es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern auch Übergänge.“ So könnten auch Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen eventuell ein Smartphone nutzen, „weil man da die Schrift sehr groß einstellen kann“, gibt Becker-Possler zu bedenken. Andererseits könnten Smartphone-Nutzer ohne Sehbeeinträchtigung zur veritablen Gefahr werden: Wenn die beim Gehen nur noch auf ihr Gerät in der Hand starrten, „rennen sie uns regelmäßig über den Haufen“, klagt Ursula Selinger, die selbst normal sieht und häufig mit ihrem Mann in der Öffentlichkeit unterwegs ist. (spi)

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