Blickpunkt Wirtschaft Start-up im Bruch: Klimafreundliche Mobilität nicht nur für den Bond-Bösewicht

Die Skateboard-Plattform von WAE aus England: Eine Karosserie würde den Unterbau mit Felgen, Elektroantrieb und Batterien zu ein
Die Skateboard-Plattform von WAE aus England: Eine Karosserie würde den Unterbau mit Felgen, Elektroantrieb und Batterien zu einem fahrtüchtigen Auto werden lassen. In Bad Dürkheim sollen bis zu 30 Mitarbeitern an neuen Projekten tüfteln.

Das Start-up WAE Deutschland will in den Standort in der Bad Dürkheimer Bruchstraße einen siebenstelligen Betrag investieren. Das ehemalige Rennsportunternehmen elektrifiziert Muldenkipper für Australien und entwickelt Wasserstoffantriebe. Wird es in Zukunft vielleicht sogar eine Batteriezellenproduktion in der Region geben?

Das Ziel klingt ambitioniert: Noch arbeiten am neuen Standort der WAE Technologies Deutschland GmbH in der Dürkheimer Bruchstraße nur sechs Mitarbeiter, die sich um die Themen Entwicklung, Business Development und Strategie kümmern. Bis 2025 sollen es 30 Mitarbeiter sein. In den Standortaufbau soll eine siebenstellige Summe fließen. Diese Zahlen nennt Patrick Rietl. Als Geschäftsentwickler steuert der 33-Jährige den Aufbau des Start-ups, das sich bei KST Motorenversuch eingemietet hat.

Gegründet wurde die WAE Deutschland, die mit dem Slogan „We Are Electrification“ wirbt, Mitte des vergangenen Jahres von Uwe Hotz, der nun die Strategie vorantreibt. Die Firma ist eine hundertprozentige Tochter der britischen WAE Technologies Limited (WAE). Vom Formel-1-Rennstall Williams kommend, bietet das Entwicklungsunternehmen elektrifizierte Lösungen an und hat Antriebs- und Energiesysteme für Autos, Roller, Motorräder und seit Kurzem Minenfahrzeuge entwickelt.

Im E-Jaguar durch Rom

Manchmal blieb es bei Prototypen, andere gingen in Kleinserien, wie der elektrische Antrieb für den Jaguar C-X75, der im James Bond „Spectre“ 2015 bei einer Verfolgungsjagd durch Rom vom Bond-Gegenspieler Mr. Hinx gefahren wurde. Für die Filmproduktion wurden sieben Fahrzeuge mit Antriebstechnik von WAE ausgestattet.

Auch für Lotus, Nissan und Aston Martin hat die WAE schon Projekte verwirklicht. Für die elektrifizierten Rennserien der Formel E und die in Wüsten, dem Dschungel und der Arktis stattfindende Extreme E ist die WAE alleiniger Batterielieferant. „Wir produzieren die Batteriezellen nicht selbst, sondern setzen diese in Batteriepacks optimal zusammen. Je nach Anforderung können die einzelnen Komponenten dann passgenau über Software angesteuert werden: Manche Zellen bringen eine hohe Dynamik und damit Anfahrtsgeschwindigkeit, andere sind auf Effizienz und lange Fahrstrecke ausgelegt“, erläutert Rietl beim Rundgang durch die modernen, 280 Quadratmeter großen Büroräume.

Hier gibt es mehrere durch Glas abgetrennte Büros, die später von den Mitarbeitern wechselnd genutzt werden können, höhenverstellbare Arbeitsplätze im großen Büro und einen Bereich mit Sofas und fahrbaren Glaswänden für Brainstorming-Zusammenkünfte.

Nähe zu KST „ideal“

Ab Oktober sollen drei Mechatronik-Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) aus Mannheim das Team verstärken, außerdem sucht WAE Deutschland Ingenieure mit Erfahrung in Batterie- und Wasserstofftechnik sowie für die Software. „Es gibt viel zu tun. Aktuell machen wir alles selbst – vom Öffnen der Post und dem Durchführen von Bewerbungsgesprächen über die Projektentwicklung und die Akquise von Kunden bis hin zur rechtlichen Absicherung von Arbeitsverträgen in Deutschland und Europa.“ Das sei aber auch genau das Reizvolle an der Aufgabe, betont der 33-jährige Rietl, der Business Development- und Start-up-Management studiert hat.

Für ein vorheriges Start-up-Projekt in denselben Räumlichkeiten in Bad Dürkheim hat er während der Corona-Zeit in der Kurstadt gewohnt. Jetzt hat es Rietl aber aus privaten Gründen nach Nürnberg gezogen. Die Nähe der WAE Deutschland zur KST Motorenversuch sei ideal. „Auch die KST hat sich auf die Themen Elektrifizierung und Wasserstoff eingestellt und entsprechende Prüfstände. Sollten wir also Prototypen aufbauen, können wir sie gleich hier testen“, sagt Rietl.

Ziel: Wasserstoff-Kompetenzzentrum aufbauen

Für die nächsten Jahre hat sich WAE viel vorgenommen. Seit 2022 gehört sie zur australischen Fortescue Metals Group (FMG), dem weltweit viertgrößten Eisenerz-Bergbau-Unternehmen mit Sitz in Perth. Dessen Gründer, Andrew Forrest, hat das Ziel ausgegeben, seine kompletten Aktivitäten bis 2030 zu dekarbonisieren und damit erstes klimaneutrales Unternehmen der Branche zu werden. Dazu gehört die Ausstattung der 240 Tonnen schweren, fahrerlosen Muldenkipper im Eisenerz-Bergbau mit Batterieantrieb. Das Team von WAE unterstützt Forrest dabei. Die Prototypen der leistungsstarken Subpack-Batterien wurden zu FMG nach Australien geliefert. Dort soll noch in diesem Jahr der erste Prototyp ausgestattet werden und durch die australische Mine fahren. Eine Ladeeinheit der Batterien dauert gerade mal 30 Minuten.

Der WAE-Deutschland-Standort in der Bruchstraße soll europäisches Wasserstoff-Kompetenz-Zentrum des Unternehmens mit dem Fokus auf Anwendungsmöglichkeiten für Wasserstoff- und Brennstoffzellen werden. Sind erste Energiesysteme entwickelt, soll die Produktion geplant werden. Wann das Start-up den ersten Prototypen in die Welt schickt, ob Reihen in Produktion gehen und ob es in Zukunft gar eine Batteriezellen-Produktion in oder bei Bad Dürkheim geben wird, ist noch ungewiss. Der Standort wurde jedenfalls so gewählt, „dass eine erste Produktionsstätte in der näheren Umgebung möglich und sinnvoll wäre“.

Und im Konferenzraum der KST-Akademie, wo WAE Deutschland am Mittwoch die offizielle Eröffnung plant, steht schon ein Prototyp aus England: eine sogenannte Skateboard-Plattform mit Felgen, Elektroantrieb und Batterien, auf den Designer nur noch eine Karosserie setzen müssten, um ein fertiges Auto zu generieren. „Technisch möglich ist vieles, wir arbeiten daran, es langfristig und wirtschaftlich nutzbar zu machen“, resümiert Rietl.

Vincent Oldenbroek, Systemarchitekt für Wasserstoffantrieb (links), und Patrick Rietl.
Vincent Oldenbroek, Systemarchitekt für Wasserstoffantrieb (links), und Patrick Rietl.
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