Bad Dürkheim Im Reich der Einsamkeit

„Schubertiade“: Bass-Bariton Dominik Wörner musiziert im Sitzen. Am Flügel: Bezirkskantor Johannes Fiedler.
»Schubertiade«: Bass-Bariton Dominik Wörner musiziert im Sitzen. Am Flügel: Bezirkskantor Johannes Fiedler.

Es war das letzte im Reigen der diesjährigen Kammerkonzerte in der Burgkirche: Bass-Bariton Dominik Wörner und Johannes Fiedler, der auf seinem historischen Steinway musizierte, beeindruckten mit der eindringlichen Gestaltung der Schubert’schen „Winterreise“ nachhaltig.

„Die Winterreise“, Franz Schuberts Liederzyklus nach Texten des Dichters Wilhelm Müller, gilt als das Opus Magnum des romantischen Kunstliedgesangs und Prüfstein jeder Sängerkarriere dieser Kategorie. Er spiegelt „Sturm und Drang“ in geradezu exemplarischer Direktheit, mutet Ausführenden wie Hörern einiges zu; emotionale Wechselbäder von geradezu existenzieller Schärfe. Eine Reise in die Abgründe seelischer Zerrüttung, Momentaufnahmen zwischen Melancholie, hysterischer Verzweiflung, sehnsuchtsvollen Visionen versiegten Glücks, Rast- und Heimatlosigkeit, am Ende tiefster Einsamkeit. Kein zweites Stück der Musikgeschichte vermittelt die tödliche Kälte des Verlassenseins derart physisch erfahrbar wie „Der Leiermann“, mit dem das Werk schließt. Und auch wenn das romantische Bild der treulosen Geliebten und die kältestarrende Winterlandschaft den Erzählfaden knüpfen, greift die Botschaft tiefer, bleibt bestürzend aktuell im Zeitalter von Kriegen, Flucht, Vertreibung weltweit. Schon das Arrangement der Protagonisten war ungewöhnlich. In Anlehnung an die berühmte Darstellung „Schubertiade“ sang Dominik Wörner sitzend neben dem Flügel. Umso nachdrücklicher inszenierte Wörner seinen intensiven, Gesang – entwarf ein „Bühnenbild“ zum Hören, allein mit dem Pinselstrich einer faszinierend schönen und so erschütternd glaubwürdigen Stimme. Stets präsent in Schuberts Opus ist ja die Doppelbödigkeit, das Dahingleiten oder auch der schroffe Wechsel zwischen Wirklichkeit und Traum. Das sind stimmliche Gratwanderungen jenseits von Pathos und diesseits wahrhaftiger Erschütterung. Wörner führte seinen geerdeten, in der Höhe aufblühenden Bass-Bariton makellos durch alle Register und platzierte dynamische Pointen überaus verbindlich. Nicht zuletzt die sich unendlich differenziert einfühlenden Piano-Facetten zogen geradezu suggestiv in Bann. Beim „Leiermann“, diesem Solitär an in Musik gebannte Traurigkeit, schien der Saal den Atem anzuhalten. Und natürlich der Partner: Johannes Fiedler, dessen Tastenkünste bereits jetzt als spektakulär gelten. Er spielte seinen Flügel aus dem Jahr 1863. Fiedler erfüllte die Maxime des pianistischen Spiegelgefährten aufs vorzüglichste. Seine verlässliches Begleitung spürte nicht nach, sondern voraus, bereitete dem Sänger behutsam und ungemein einfühlend die gestalterische Bahn und hatte, jenseits der begleitenden Aufgabe, ihre ganz großartigen, sensiblen und anbetungswürdig schönen Solo-Auftritte, etwa bei der „Erstarrung“, bei „Der stürmische Morgen“ und der nachdrücklich doppelbödigen „Täuschung“. Es war ein bewegender Abend, einer der lange kraftvoll nachklingt.

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