Bad Dürkheim Gerade Analphabeten wissen um Wert von Bildung

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So weit die Füße tragen… Die Familie Qurbani musste ihre Füße letzten Endes vom Osten Afghanistans bis nach Deutschland tragen. Ghulam Qurbani trug seinen Jüngsten, den 2013 geborenen Amir, die meiste Zeit auf den Armen, Mutter Erfani hatte ihre 2010 geborene Tochter Artifa auf den Schultern sitzen. Ihre Knie haben auf der langen Wanderung einen „Knacks“ abbekommen. Der Blick aller ist offen und zugewandt, die Eltern und die älteren Kinder versichern mehrfach, wie dankbar sie für die freundliche Aufnahme in Gönnheim sind. Das Gespräch wird auf Dari geführt, einer für die Schreiberin völlig unverständlichen Sprache. Gedolmetscht wird es von Safieullah Safie, einem Afghanen, der schon länger hier lebt. Doch auch ohne seine Übersetzung ist mehrfach das Wort Taliban herauszuhören. Vor ihnen ist die siebenköpfige Familie ursprünglich geflohen, sie hatten die Provinz Bamian (man kennt sie von der Sprengung der antiken Buddha-Statuen in 2001) im Bürgerkrieg mit ihrem Terror überzogen, die Qurbanis mussten sich vor ihnen hüten. Ihr „chinesisches“ Aussehen machte sie als Buddhisten und damit als „Ungläubige“ verdächtig. Während die insgesamt 15 Geschwister der Eltern Qurbani alle innerhalb Afghanistans geflohen sind, suchten Ghulam und Erfani Zuflucht im Nachbarstaat Iran. Hier waren sie zwar auch nicht allzu sehr willkommen, aber ausschlaggebend für eine neuerliche Flucht, diesmal mit Ziel Europa, war die Tatsache, dass die iranischen Behörden die beiden ältesten Jungs Mohammed und Aref mit iranischen Milizen in den syrischen Bürgerkrieg zu schicken drohten. Dafür wollten die Qurbanis ihre Söhne nicht hergeben, also machten sie sich wieder auf den Weg, über 40 Tage und Nächte. Ghulam Qurbani hat einen Ein-Euro-Job bei der Gemeinde, das war Glück und es freut ihn ungemein. Er dankt es laut dem Familienpaten Eberhard Linke mit preußischer Pünktlich- und Genauigkeit. Das Ehepaar will, wie alle Eltern, etwas Besseres für ihre Kinder – um ihretwillen sind sie im Grunde hierher gekommen. Und dafür wollen sie sich unbedingt bei uns integrieren. Sie schotten sich nicht ab, waren beim Erntedankgottesdienst alle in der Kirche wie auch geschlossen beim Kindergartenfest. Die Eltern Qurbani sind einfache, freundliche Leute, Analphabeten beide. Aber sie wissen um den Wert von Bildung und möchten, dass ihre Kinder was lernen dürfen. (mkö) Zur Serie Advent heißt Ankunft. Deshalb widmen wir unseren RHEINPFALZ-Adventskalender in diesem Jahr Menschen, die in den vergangenen Wochen und Monaten bei uns angekommen sind. Damit möchten wir den allgemeinen Begriffen Flüchtlinge oder Asylbewerber ein Gesicht, oder besser: viele konkrete Gesichter geben.

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