Kultur Vom Untergang der Sinfonie

Mit einem kompakten, äußerst anspruchsvollen Programm ging die Saison der Kaiserslauterer Pfalztheaterkonzerte zu Ende. Mit Mahlers monumentaler fünfter Sinfonie stellte sich das Orchester des Hauses unter Generalmusikdirektor Uwe Sandner einer exorbitanten Herausforderung – und bestand sie mit Bravour. Dem Kolossalwerk ging Schuberts h-Moll-Sinfonie, die „Unvollendete“, voraus.

Schubert und Mahler: eine unbedingt einleuchtende Zusammenstellung. Die Erkenntnis, dass zwischen den beiden Komponisten im künstlerischen Habitus und dem poetischen Gehalt ihrer Musik über die Entfernung von zwei Generationen eine schwer überhörbare Affinität besteht, ist zwar keineswegs neu, dafür aber kaum widerlegbar. Davon zeugen der Hang zum Weltschmerz, der sowohl Schuberts als auch Mahlers Werke oft entscheidend prägt, und dafür stehen auch Töne abgrundtiefer Trauer, die Vorliebe für die Melodie, für das sanglich Liedhafte, und andererseits für kontrastierende tänzerisch anmutige Momente. Ebenfalls schwer zu leugnen, dass der Prozess der Erweiterung und schließlicher Auflösung der klassischen sinfonischen Form mit Schuberts großer C-Dur-Sinfonie und der „Unvollendeten“ eingesetzt hatte und mit Bruckners und Mahlers Œuvre seinen Endpunkt erreichte. Die Programmkonstellation des vierten Pfalztheater-Konzerts sprach also für den dramaturgischen Anspruch der künstlerisch Verantwortlichen. Überaus ansprechendes Niveau ist auch den Aufführungen zu bescheinigen: Den ins Gigantische erweiterten Dimensionen von Mahlers fünfter Sinfonie wurde das Pfalztheater-Orchester weitgehend gerecht. Uwe Sandner agierte am Pult mit bedingungslos leidenschaftlichem Einsatz und zugleich mit souveränem Überblick über die Abläufe. Mit beschwörender Gestik animierte er das Orchester zu intensiver, bedingungslos ausdrucksbetonter Musizierweise. Mahlers musikalischer Kosmos wurde differenziert und mit zwingendem Nachdruck dargestellt. Die verwegenen Aufschwünge, erschreckenden Toneruptionen und Instrumentalaufschreie erklangen mit voller Wucht oder schmerzlich schneidender Schärfe, und mit Anmut und Grazie kamen im Trio des Scherzos die melodieseligen spielerischen, volkstümlich angehauchten Einfälle daher, die den Gegenpol zur düsteren, wilden Entschlossenheit des Hauptteils bildeten. Sehr konsequent wurde dann im Finale das polyphone Stimmgeflecht der Doppelfuge aufgeschlüsselt, und ebenso einfühlsame, wie kammermusikalisch gepflegte Wiedergabe erfuhr zuvor das Adagietto (vierter Satz). Vor der Pause wurde Schuberts unvollendete Sinfonie konzentriert, mit ausgeprägtem Detailgespür vorgetragen, und feinen Antennen sowohl für ihre beseelte Instrumentallyrik als auch für ihre Spannungsmomente.

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