Kultur Tag der Architektur: königlich-bayerische Reithalle wird Maschinenraum der Kunst

Reit- und Sporthalle, jetzt Großraum für Kunststudenten. Beim Tag der Architektur zu erlebendes Gebäude in Landau.  Foto: Holch
Reit- und Sporthalle, jetzt Großraum für Kunststudenten. Beim Tag der Architektur zu erlebendes Gebäude in Landau.

„Räume prägen“, auf das Motto des Tags der Architektur passt das Atelierhaus von Besitzer und Architekt Thorsten Holch in Landau punktgenau. Die gründerzeitliche Architektur war einmal eine Reithalle. Jetzt sind Kunststudierende der Uni eingezogen. In einen Raum mit beinahe industriellem Charme. Studieren sie jetzt länger?

Räume prägen, in die offenen Ateliers der Landauer Kunst-Student/innen zum Beispiel fällt Oberlicht. Und sie haben Sichtkontakt bei Bedarf. Ihr Arbeitsplatz: Galerien auf einer eingestellten Stahl-Holz-Konstruktion, ein Maschinenraum der Kunst in einer Architektur mit Geschichte.

Das Gebäude, in das vor einiger Zeit das Institut für Kunstwissenschaft und Bildende Kunst der Uni Koblenz-Landau eingezogen ist, jedenfalls steht schon lange. Es stammt aus königlich-bayerischer Zeit. Ende des 19. Jahrhunderts. Es wurde vom Militär als Reithalle genutzt. Später als Sporthalle von der französischen Armee, unter deren Ägide im Südwesten des Gebäudes ein Heizungsraum entstand. Jetzt paradiert der langgestreckte gründerzeitliche Ziegelsteinbau mit Sandsteinsockel wie frisch poliert in einer Denkmalzone.

Zündende Idee nach drei Jahren Leerstand

Das Areal der ehemaligen Artillerie-Kaserne Estienne et Foch ist, wenn man so will, das Landauer Stadtentwicklungsgebiet des Moments. An der Schnittstelle von Stadt und Landschaft. Besitzer Thorsten Holch ließ das historische Gebäude trotzdem erst einmal drei Jahre lang leer stehen.

Der Investor und Architektur ist Spezialist, was die Umnutzung historischer und denkmalgeschützter Gebäude betrifft. Was in der Natur der Sache liegt, nicht immer völlig unumstritten. Etwa angesichts des notgedrungenen schleppenden Fortschritts beim Slevogthof in Neukastel, der ihm gehört. Holch lebt und arbeitet selbst mit seinem Büro Archimedes unweit der Landauer Reithalle in einer ehemaligen französischen Schule aus den 1950er-Jahren. Adresse: Dagobertstraße. Im ersten Landauer Konversionsprojekt. Der Bau, ein Klassiker des Mainzer Architekten und Hochschullehrers Johannes Krahn (1908 bis 1974). Beinahe wäre er abgerissen worden. Holch hat ihn unter selbst auferlegten Denkmalschutzbedingungen erhalten.

Holch ist auch Besitzer des von ihm aus nahegelegenen Generalstabsgebäude der Franzosen, ein Signetbau der Nachkriegsmoderne und Zeugnis der Landauer Militärgeschichte. Er hat es sinnfällig als Wohnungsbau umgenutzt, auch mit vorgestellten massiven Balkonen, die nicht allen gefallen, aber vollständig wieder abgebaut werden können.

Für die Reithalle aus dem 19. Jahrhundert schwebte ihm, gesteht er freimütig, zunächst die Möglichkeit einer Markthalle vor. Ein charmantes Projekt, aber letztlich nicht realistisch. Nach drei Jahren Leerstand und Überlegung kam der Gedanke auf, dass das bisher über die Stadt verteilte Kunstinstitut der Uni einzieht.

Das Gebäude changiert zwischen Bunker und Loft und hat wieder Perspektive

Professorin Tina Stolt sagt, die Student/innen hätten sich vorher teilweise untereinander gar nicht gekannt. Jetzt studieren alle zusammen. Als Architekt der Ertüchtigung im Bestand fungierte Thorsten Holch selbst, zusammen mit Lamott.Lamott Architekten aus Stuttgart, wobei Ansgar Lamott gebürtiger Landauer ist.

Von außen markant ist jetzt die frisch erstrahlende Fassade der Ex-Reithalle mit dem zeitgenössisch stählernen Eingangstor. Unter die historischen Rundbogenfenster des gesamten Gebäudes sind quadratische, rahmenlose Fenster mit deutlicher Laibung gesetzt. Ihr Licht fällt ins Erdgeschoss, wo die mit allem nötigen Schnickschnack ausgestatteten Werkstätten gebunkert sind.

Zwei Erschließungsbereiche sind eingebaut. Ein Aufzug dazu. Sichtbeton dominiert, wenn man eintritt, auf tut sich ein hochkonzentrierter Ort, die vom Flur links und rechts abgehenden Räume verströmen mit den offengelegten Versorgungsröhren eine puristische Arbeitsatmosphäre. Im Loft der beiden oberen Ebenen ist die werktätige Intelligenz dagegen auf und in einer freistehenden, vollständig reversiblen Stahlkonstruktion zu Gange, Vollholz-Brettstapeldecken sind eingezogen. In dem hochverdichteten Großraum, nicht an jeder Stelle gleich licht und schön, aber jederzeit wie im Aufbruch, sind ab und an Ziegelornamentfriese und die Dachbinderkonstruktion des Ursprungsgebäudes erhalten worden. Überhaupt wurde eine gewisse Vorläufigkeit der Eingriffe gewahrt.

Energiehaus mit Pergola

Stolz ist Architekt Thorsten Holch auf die Energiebilanz des Gebäudes. Sagt er auch. Die einstige Reithalle ist so jetzt ein KfW-70-Energiehaus. Heißt, verbraucht werden 70 Prozent der Energie im Vergleich zum jetzt geltenden effizienten Baustandard. Möglich geworden ist das unter anderem durch die Dämmung der Bodenplatte unten und oben, 3-Scheiben-Verglasung, Wärmerückgewinnung oder die Stromversorgung über eine Photovoltaik-Anlage. Et cetera. Professorin Tina Stolt, die Bildnerische Praxis lehrt, gefällt unter anderem besonders, dass sich die Bildhauerwerkstatt problemlos nach draußen öffnen und erweitern lässt. Dort gibt es auch eine lauschige Pergola. Mal sehen, ob sie, weil es darunter so schön ist, die Studiendauer erhöht.

Termine

Die Ateliers in der ehemaligen Reithalle, Heinrich-Diehl-Stra. 5, in Landau sind am Samstag von 14 bis 18 Uhr und am Sonntag 11 bis 17 Uhr zu sehen. Führungen jede volle Stunde.

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Fassadebdetail der ehemaligen Reithalle.  Foto: David Franck
Fassadebdetail der ehemaligen Reithalle.
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