Kultur Ohne modernen Schnickschnack

Zwischen Liebe, Resignation und Wahnsinn: Ina Schlingensiepen als Königin Elisabeth I. im Karlsruher „Roberto Devereux“.
Zwischen Liebe, Resignation und Wahnsinn: Ina Schlingensiepen als Königin Elisabeth I. im Karlsruher »Roberto Devereux«.

Fünf Wochen nach der sagenhaften Bühnenshow mit Händels „Serse“ folgte am Badischen Staatstheater Karlsruhe mit Donizettis „Roberto Devereux“ eine 100 Jahre jüngere Gesangsoper ernster Natur, die dem Anspruch dieses schwermütigen Belcanto-Werks szenisch und musikalisch eindrucksvoll gerecht wurde.

Donizetti ist nicht gerade ein Repertoireschwerpunkt in Karlsruhe, aber ganz untätig und erfolglos war das Haus in diesem Bereich nicht. Vor 30 Jahren hatte „Lucia di Lammermoor“ in der Regie von Giancarlo del Monaco und mit Kathleen Cassello als Lucia Premiere, eine der unvergessenen Glanzleistungen des Theaters. Ein paar Jahre später blieb man mit „Maria Stuarda“ (Regie: Georges Delnon) auf der britischen Insel, doch mit der Tudor-Trilogie ging es vorerst nicht weiter. Erst nach drei „Liebestränken“ und der „Regimentstochter“ folgten die „Anna Bolena“ und jetzt als Karlsruher Erstaufführung der „Roberto Devereux“: die unbekannteste der drei Stücke aus dem England des 16. Jahrhunderts über den jungen Roberto Devereux, der die Gunst der englischen Königin Elisabeth I. genießt, aber vom Parlament des Verrats angeklagt wird. Wahrscheinlich sind die politischen Verhältnisse auf der Insel im Moment fast noch wirrer als damals, aber im „Roberto Devereux“ geht es kaum um Politik, viel mehr um eine emotional aufgeladene Vierecksgeschichte. Das Inszenierungsteam aus Großbritannien um Regisseur Harry Fehr machte denn auch gar nicht den Versuch einer Aktualisierung des Stoffs, sondern brachte die Welt der Renaissance in Bühnenbild und opulenten Kostümen auf die effektiv genutzte Drehbühne des Großen Hauses. Das war sehr gut so und bescherte dem Publikum einen eindrucksvollen Opernabend, der gerade nicht – wie bei eher traditionellen Produktionen gerne unterstellt wird – nur zum gedankenlosen und oberflächlichen Genuss taugte, sondern durch die zunehmende Spannung des Geschehens die Zuschauer packte und bewegte. Sicher, die Personenregie hätte profilierter sein können, und die wenigen Neudeutungen der Handlung waren nicht immer zwingend, aber im Kern gelang eine szenische Einstudierung in idealem Einklang mit der Musik. Und das nicht, weil die Szene die Musik nicht „störte“, sondern weil sie den Sinn der gesungenen Gefühle erklärte und diese in ihrer Wirkung verstärkte. Auch das überlegt konzipierte Bühnenbild von Yannis Thavoris und die prachtvollen Gewänder von Mark Bouman sorgten schon optisch für einen Opernabend aus dem Bilderbuch. Nach „Elektra“ und „Serse“ mit vielen exzellenten Gästen war es auch mal wieder schön, eine Premiere mit komplett hauseigenen Kräften zu erleben. Und diese bewährten sich prächtig. Ina Schlingensiepen bot als reife Elisabeth I. nicht nur darstellerisch ein starkes Porträt zwischen Liebe, Resignation und Wahnsinn, sie sang vor allem mit einer idealen Verbindung von geschmeidiger Gesanglichkeit, beweglicher und sicherer Tongebung sowie ausdrucksvoller Innigkeit. Eleazar Rodríguez gefiel in der Partie des Roberto sowohl durch weit ausschwingende und nobel modellierte Gesangslinien als auch durch den kraftvollen Ansatz seines Tenors. Sehr stark war das Ehepaar Nottingham: Jennifer Feinstein als Sara setzte ihren klangschönen und tragfähigen Mezzo sehr prägnant, aber immer kultiviert und stilvoll in der Art des Belcanto ein – und der Bariton Armin Kolarczyk formte die Partie des Herzog musikalisch sehr differenziert und mit leidenschaftlichem Nachdruck. Vorzüglich agierten auch die Sänger der kleinen Partien und der Staatsopernchor. Das Publikum war begeistert und feierte alle Beteiligten, ganz besonders das Regie-Team. Termine Weitere Vorstellungen am 29. März, 14. und 20. April, 4. und 30. Mai. Telefon 0721 933333, www.staatstheater.karlsruhe.de

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