Kultur Knackfrische Flaschenpost

Fit: Sting rockt Mannheim auch im Alter von 65 Jahren noch.
Fit: Sting rockt Mannheim auch im Alter von 65 Jahren noch.

Nach mehr als zehn Jahren hat Sting wieder ein Rockalbum eingespielt. Als „57th & 9th“ Ende vergangenen Jahres veröffentlicht wurde, war diese Information der Plattenfirma sogar einen extra Aufkleber wert. Rock kann der Ex-Police-Man halt am besten, und live ist der Brite immer noch ein Erlebnis. In Mannheim konnte man sich davon überzeugen.

Im dramaturgisch perfekt aufgebauten Konzertablauf hatten Sting und seine Band mit „Message in a Bottle“ gerade für ein emotionales Zwischenhoch gesorgt und die keineswegs ausverkaufte Halle mit ihrem 50-plus-Publikum in ausgelassene Partystimmung versetzt. Er sei jetzt ein bisschen müde, verkündete der 65-Jährige da in ziemlich gutem Deutsch, müsse sich kurz ein wenig ausruhen. War natürlich ein Scherz, der gertenschlanke Mann in Jeans und T-Shirt ist fit wie ein Turnschuh und könnte problemlos auch ein Drei-Stunden-Programm ohne Ruhepausen und Sauerstoffzelt durchstehen. Aber Sting ist auch ein stolzer Vater und gönnte den tosenden Augenblick seinem Sohn, der nach einem kurzen Soloauftritt zu Beginn die Background-Vocals übernommen hatte. Joe Sumner ist auch schon 40 und dem Vater, was Stimme und Aussehen angeht, verblüffend ähnlich. Seine eigenen Songs klingen allerdings auch sehr nach siebziger Jahren, was für eine eigenständige Karriere wohl eher hinderlich ist. Jetzt singt er „Ashes to Ashes“, einen von zwei Coversongs im Programm und Reminiszenz an den verstorbenen David Bowie. Er gibt dem Song viel schnörkellose Rockemphase und passt ihn damit ein in die puristische Grundausrichtung des Konzertabends. Für dessen Showanteile müssen eine effektvolle Scheinwerfer-Choreografie und zwei Screens mit Livebildern der Musiker genügen. In der wilden Zeit von Sex, Drugs and Rock’n’Roll hat sich der vom Musiklehrer zum Rockstar aufgestiegene Gordon Matthew Sumner ja vor allem für letzteres interessiert. Mit dem 1977 gegründeten New-Wave-Trio Police haben er und seine Kollegen bis zum zerstrittenen Ende Mitte der achtziger Jahre Legendenstatus erreicht. Danach hat Sting als Solokünstler noch mehr als eine weitere Dekade lang die Welt mit großartigen Songs versorgt, ehe er verstörende Dinge wie Lautenmusik, Broadway-Musicals und sinfonische Neuarrangements seiner Greatest Hits in Angriff nahm. Richtig gut war Sting meist nur noch, wenn er mit Band auf Tour ging, am allerbesten bei der kurzen Police-Reunion 2007, die ihn im Folgejahr auch in die Mannheimer SAP-Arena führte. Dort stand er jetzt wieder auf der Bühne, nicht mit Andy Summers und Stewart Copeland, dafür mit Schlagzeuger Josh Freese und dem langjährigen Gitarrenbegleiter Dominic Miller, der zur Verstärkung noch seinen Sohn Rufus Miller mitgebracht hatte. Die haben nicht die Explosionskraft der originalen Police-Besetzung, sind aber eine exzellente Rockband, die für ordentlich Druck im Kessel sorgt und es mit dem Virtuosentum nicht übertreibt. Hier ist in erster Linie Authentizität gefragt und nicht Innovationskunst. Dennoch ist der Sound der Originale aufgefrischt und manchmal mit einem weltmusikalischen Flair versehen, wofür besonders der Akkordeonspieler Percy Cardona zuständig ist. Sting zupft wie gewohnt auch den E-Bass, was angesichts der verschleppten Rhythmen und gegenläufigen Bassfiguren der alten Police-Nummern keine gänzlich beiläufige Angelegenheit ist. Die machen fast die Hälfte des gut eineinhalbstündigen Programms aus, von „Synchronisity“ und „Every little Thing she does is magic“ bis „Walking on the Moon“ und „Roxanne“ ist alles dabei, wofür die Fans hierher gepilgert sind. Dazu kommen Perlen aus Stings Solojahren, natürlich der „Englishman in New York“, „Fields of Gold“ oder das arabisch angehauchte „Desert Rose“. Aber auch diese Songs haben schon fast zwei Jahrzehnte hinter sich und damit Klassikerstatus. Vom neuen Album sind nur drei Stücke dabei, mit „Petrol Head“ eine Nummer, die beweist, dass Sting immer noch stadiontaugliche Rockkracher zu schreiben vermag. Auf politische Botschaften verzichtet Sting auf der Bühne, obwohl er zu Umweltproblemen und humanitären Fragen eine klare Haltung hat und den Brexit für eine „Riesen-Dummheit“ hält. Seine Meinung teilt er in Interviews mit, und für Menschenrechte und Regenwälder engagiert er sich mit Spendenaktionen und unterstützt NGOs. Aber ganz am Ende, als zweite Zugabe, hat er dann doch wieder „Fragile“ dabei, den zarten Song, der davon erzählt, wie zerbrechlich so ein Menschenleben ist angesichts der Gewalt, die wir zu entfachen vermögen. Der Song ist von 1988, Sting spielt ihn immer wieder zum Abschluss seiner Auftritte, und immer sind es andere Ereignisse, auf die sich die Verse zu beziehen scheinen: Terrorangriffe, Bürgerkriege, Flüchtlingselend. In Tagen, da sich zwei Atommächte mit gegenseitiger Auslöschung drohen, passte das Liedchen mal wieder ganz gut.

x