Kultur Jonas Kaufmann im Interview: "Fühle mich besser denn je"

Jonas Kaufmann (links) bei den Proben für die Kurztournee in der Ludwigshafener Philharmonie.
Jonas Kaufmann (links) bei den Proben für die Kurztournee in der Ludwigshafener Philharmonie.

Der Tenor-Superstar über französisches Repertoire und das Geschenk der Stimme – Auf Tour mit der Deutschen Staatsphilharmonie

Jonas Kaufmann ist der deutsche Tenor-Superstar. Auftritte in allen großen Häusern dieser Welt, bei allen Festivals. Dabei nie festzulegen auf ein Repertoire. Gerade auf einer Kurztournee singt er am nächsten Mittwoch in der Liederhalle Stuttgart ein rein französisches Programm unter dem Motto „L`Opéra“, was auch der Titel seiner jüngsten CD ist. Bei dieser Tournee, die auch nach Nürnberg und Wien führt, wird er von der Deutschen Staatsphilharmonie unter der Leitung von Jochen Rieder begleitet. Frank Pommer hat den Tenor nach einer Probe in der Ludwigshafener Philharmonie getroffen. Sie proben gerade mit der Deutschen Staatsphilharmonie für eine Kurztournee. Wie läuft die Zusammenarbeit? Ich kenne das Orchester gut und mag es auch sehr gerne, weil es ganz unkompliziert funktioniert. Sehr viele Philharmonische Orchester haben im Unterschied zur Staatsphilharmonie Schwierigkeiten mit der Oper, weil sie es nicht gewohnt sind, so zu begleiten. Ihre jüngste CD und nun auch diese Tour allein mit französischem Repertoire sind für einen deutschen Tenor, der auch im Wagner-Fach zu Hause ist, eher ungewöhnlich. Woher kommt ihr Interesse an dieser Musik? Ich weiß gar nicht genau, woher die Faszination für diese Musik kommt. Ich habe bereits im Studium angefangen, französisches Repertoire zu singen. Damals war meine Stimme auch noch sehr weiß, kopfig und hell, was gerade für diese Literatur ideal war. Diese Musik fokussiert die Stimme ganz anders, nicht, dass man jetzt alles in die Nase quetschen würde, aber es ist einfach ein bisschen enger geführt. Ich habe dann natürlich später gelernt, dass man auch Wagner so singen kann, aber grundsätzlich war mein Eindruck, dass sich das französische Repertoire von allem anderen unterscheidet. Da gibt es eben kein festgelegtes Fach, da hat man nicht von Anfang bis zum Ende einer Partie die gleiche Anlage der Stimme. Da gibt es dramatische Ausbrüche wie bei Wagner, dann geht man fast schon wieder zum Barock zurück. Da braucht man eine sehr flexible Stimme, die einem erlaubt, sehr laut, danach aber auch wieder leise und weich zu singen. Nun liegen französische Tenor-Partien sehr hoch, sind also von der Tessitura eine große Herausforderung. Kann man das trainieren oder muss man das einfach mitbringen? Man muss halt wissen, wie es geht. Wenn ich zu offen mit der Stimme in die Höhe gehe, dann macht das halt sehr schnell müde. Natürlich liegt auch Wagners Lohengrin-Partie manchmal sehr hoch, auch bei Verdi kann es Ihnen passieren, dass Sie vom e, fis g, von der hohen Lage einfach nicht wegkommen, aber so extrem, wie das im französischen Fach der Fall ist, ist das eigentlich in keinem anderen Repertoire. Es wurde offensichtlich genau für die französische Art zu singen komponiert. Man hat einfach die Bruststimme nicht so sehr mit nach oben genommen und das dadurch sehr heldisch gestaltet, sondern hat stattdessen versucht, einen sehr weichen, flexiblen Übergang nach oben zu finden, so dass das ohne Mühe letztlich bis ins Falsett hineingegangen ist. Und dann war es völlig egal, wie hoch das gegangen ist. Jetzt haben Sie Verdi schon angesprochen, Sie haben seit unserem letzten Gespräch auch den Otello gesungen, haben im italienischen Fach, aber eben auch im deutschen, fast alles auf der Bühne gestaltet, gibt es überhaupt noch Herausforderungen für die Zukunft? Es gibt schon noch ein paar Partien, die ich noch nicht gemacht habe und die noch kommen sollen. Da wären im deutschen Fach beispielsweise noch Tannhäuser und Tristan, Korngolds „Tote Stadt“ oder Pfitzners „Palestrina“ sind Opern, die ich noch nicht gesungen habe. Natürlich würde ich auch gerne noch Siegfried machen, aber das ist dann doch, na ja, wie soll man sagen... Eine sehr große Herausforderung? Klar, natürlich ist es das. Eine wirkliche Herausforderung. Sie haben natürlich Recht, dass ich beispielsweise im italienischen Fach wirklich fast alles abgedeckt habe. Aber da gibt es dann doch auch noch unbekanntes, exotisches Repertoire zu entdecken, zum Beispiel hat Umberto Giordano mehr geschrieben als den „Andrea Chenier“. Andere Partien wie den Parsifal habe ich noch viel zu selten gesungen. Der kommt jetzt allerdings wieder, was sehr schön ist. Sie konnten 2016 bedingt durch eine Erkrankung einige Monate nicht auftreten. Verändert einen eine solche Erkrankung? Wird man demütiger? Vielleicht ist demütig ein zu großes Wort, aber man wird sich der ganzen Sache noch bewusster nach einer Erkrankung, wird vielleicht auch vorsichtiger. Man weiß um das Geschenk, das man da bekommen hatt. Das war auch der Grund, warum ich so viele Termine abgesagt habe und auch immer mal wieder absage. Ich muss dieses Instrument beschützen, muss diesen Schatz bewahren. Es macht keinen Sinn, wenn ich mit angeschlagener Stimme singe. Ich habe keinen Zeitdruck, fühle mich im Vollbesitz meiner Kräfte. Ich muss zwar nicht wie Plácido Domingo noch mit 80 singen, habe aber auch nicht vor, in fünf Jahren in Rente zu gehen. Ich fühle mich besser denn je.

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