TV-Hinweis Heimholung ohne Happyend? Ein Film über die jüdische Bildhauerin Jacqueline Diffring

„Fange bei Zero an“: Künstlerin Diffring.
»Fange bei Zero an«: Künstlerin Diffring.

Der SWR-Film von Autorin Uta Meyer ist viel besser als der Titel. In „Mein Draht zur toten Künstlerin“ geht es 30 Minuten lang um die viel zu unbekannte Jacqueline Diffring, 1920 in Koblenz geboren, Tochter eines jüdischen Stoffhändlers, 100 Jahre später in Châteauneuf-Grasse gestorben, ihrer Wahlheimat bis zum Schluss. Sie war ein abenteuerliches Herz. Sie trug gerne Hüte, tanzte. Ein – auch düster verschattetes – Jahrhundertschicksal. Die Bildhauerin war Schülerin von Henry Moore. Die Moderation Anika Keil reist in dem Film dem Leben der als Ilse Pollack geborenen Dame mit der Pixie-Frisur, die den Mädchennamen ihrer Mutter annahm, hinterher.

Keil trifft frühere Wegbegleiter wie ihren Galeristen und Seelenfreund Joachim Becker und Götz Laue, der sie schon kannte, als er ein Kind war, und jetzt in ihrem südfranzösischen Domizil lebt. Ihr Bruder Anton Diffring, mit dem sie 1939 gerade noch so nach England floh, wurde als Schauspieler öfter als Nazi besetzt, ausgerechnet. Sie selbst ist mit 16 Jahren von der Schule gedrängt worden, bevor sie nach Berlin an die private Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann ging.

In England studierte sie dann am Technical College in Cambridge und an der Chelsea School of Art in London. Sie muss ein „umarmendes“ Wesen gewesen sein. Aber nach Deutschland und Koblenz, wohin sie auf Drängen ihrer Mutter 1954 zog, wollte sie nie wieder zurück. Dennoch blieb sie bis zur ihrer Scheidung 1977 und dem – dachte sie – endgültigen Bruch mit ihre Herkunftswelt. Ihr eigentliches Werk ist erst nach dem Umzug nach Frankreich entstanden, intuitiv und entlang ihrer Biografie. Immer soll Opernmusik dazu gelaufen sein. Ihr Credo: „Ich fange bei Zero an.“ Der Rest ergab sich. An ihrer Heimholung, erzählt der Film, waren zwei Pfälzer maßgeblich beteiligt.

Der Tiefenthaler Galerist und Kunstimpresario Wolfgang Thomeczek lernte Diffring 2014 kennen und überredete sie in seinem damals noch Sausenheimer Kunstkabinett auszustellen. Wider Erwarten reiste sie selbst an. Dort lernte sie der Bad Dürkheimer SPD-Politiker und Kulturaktivist Manfred Geis kennen. Seine Kontakte führten dazu, dass das Koblenzer Mittelrhein-Museum Diffrings Atelier samt zahlreicher Werke in sein Schaufenster stellt. Auch ihr Tastentelefon mit den lehmigen Fingerabdrücken steht dort. Noch zu Lebzeiten schenkte die Künstlerin der Stadt eine Skulptur. Sie verlieh ihr einen Peis. In ihrer ehemaligen Schule ist Diffring wieder mit einem Werk präsent. Das Happyend ist trotzdem fraglich. Denn wie vom Koblenzer Stadtrat beschlossen, soll das Diffring-Schaufenster dem Stadtarchiv weichen und ins Depot wandern. Noch eine Vertreibung, es wäre eine Schande.

Info

„Mein Draht zur toten Künstlerin – Anika Keil auf den Spuren von Jacqueline Diffring“ ist in der ARD Mediathek und im Netz abrufbar.

x