Kultur Hayao Miyazaki ganz nah

Hayao Miyazaki in seinem Studio.
Hayao Miyazaki in seinem Studio.

Eine Art Homemovie beim größten Filmfestival der Welt? Wie kann das sein? Weil das japanische Animationsstudio Ghibli – als erstes Studio überhaupt – mit der Ehrenpalme geehrt wurde, nahm das Festival offenbar so kurzfristig einen zweistündigen Film über seinen prominentesten Filmregisseur ins Programm, das er es nicht in den Festivalkatalog schaffte.

„Hayao Miyazaki and the Heron“ (Hayao Miyazaki und der Reiher) erzählt wie der gerade mit dem Oscar als beste Animation ausgezeichnete Miyazaki-Film „Der Jungs und der Reiher“ entstand. Kaku Arakawa, der schon mehrere Dokus über Miyazaki drehte, beginnt in seinem neuen Film 2399 Tage vor der Premiere des Films, Japans berühmtesten Filmemacher und Studiogründer Hayao Miyazaki (83) bei seiner Arbeit im Studio Ghibli zu beobachten.

Man sieht Miyazaki meistens zusammen mit seinen Partner und Studiomitgründer Toshio Suzuki (75) die beiden älteren Herren reden und scherzen viel. Sie kennen sich schon lange, denn sie haben das Studio vor 40 Jahren gründet – zusammen mit Miyazaki zeichnet eine Figur und Suzuki überlegt, wie sie im fertigen Film aussehen könnte. Zwischendurch trauern sie um Isao Takahata, einen weiteren Mitgründer des Studios. Immer wieder sagte Miyazaki Dinge wie „das hätte ihm gefallen“ oder auch „ich vermisse ihn“.

Der Reiher in Rohform aus Miyazakis Oscar-Film „Der Junge un der Reiher“
Der Reiher in Rohform aus Miyazakis Oscar-Film »Der Junge un der Reiher«

Das Außergewöhnliche an dem Film ist, wie nah Kaku Arakawa dem Meister kommt – für japanische Verhältnisse ist eine solche Vertrautheit sehr selten. Großaufnahmen zeigen, wie er zeichnet – und auch, wie er Pause macht und Kaffee trinkt mit Suzuki. Der Countdown von 2399 Tagen bis zum Filmstart (also ein Zeitspanne von über sechs Jahren) ist nur so etwas wie ein grober roter Faden, es geht Arakawa mehr darum, den Menschen Miyazaki zu zeigen: als unglaubliche liebenswerten Mann ohne jede Allüren, der sich jeden Tag eine weiße Schürze umbindet, bevor er sich an den Zeichentisch setzt.

Der ist nicht in einem Großraumraumbüro wie die Disney, sondern in einem Teil der doch sehr überschaubaren Werkstatt, in der noch etwa ein halbes Dutzend weiterer Mitarbeiter zu sehen sind. Blätter und Folien mit den Figuren aus dem neuen Miyazaki-Film hängen um Miyazakis Schreibtisch. Mitarbeiter kommen und zeigen, wie sie aus der Rohzeichnung die farbige Figur für den Film gemacht haben. Miyazaki ist nicht dickköpfig und gibt manchmal zu, dass ein Mitarbeiter es besser hingekriegt hat als er. Denn über sein Alter macht er sich keine Illusionen, über seine Gedächtnislücken auch nicht.

Eigentlich wollte er ja keinen Film mehr machen, doch dann war es ihm im Ruhestand wohl langweilig, so dass sich der Schöpfer von „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2003, sein erster Oscar) und „Das wandelnde Schloss“ (2004) sich doch noch mal an einen Film machte. Warum Miyazaki so erfolgreich mit Totoro, Chihiro, Ponyo und den anderen Figuren ist, die er erfunden hat, offenbaren die Szenen, die ihn mit Kindern auf dem Studiogelände zeigen: Wenn er mit ihnen zusammen ist strahlt er, und aus dem Fenster im Studio schaut er ihnen beim Spielen zu – mit einer kindlichen Freude, die ihn immer wieder motiviert.

Wer an der Hommage für das Studio Ghibli, das die Ehrenpalme teilnahm, hat nun ein Originalbild aus einem Miyazaki-Film.
Wer an der Hommage für das Studio Ghibli, das die Ehrenpalme teilnahm, hat nun ein Originalbild aus einem Miyazaki-Film.

Seltsamerweise fehlt in der Doku sein Sohn Goro Miyazaki (57), ebenfalls Animationsfilmer, der für den Vater im Februar schon den Oskar und jetzt die Ehrenpalme und den Applaus der Zuschauer entgegennahm. Die Zuschauer bei der Preisverleihung konnten sich nicht nur freuen, dass man ihnen vier Miyazaki-Kurzfilme zeigte, die es nicht im Kino, sondern nur im Ghibli-Museum zu sehen sind. Und sie bekamen ein eigens für Cannes entworfenes Ghibli-Plakat neben einem Originalfoto aus einem Miyazaki-Film. So viel Ehre für die Zuschauer ist selbst in Cannes ungewöhnlich.

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