Kino Film der Woche: Oskar Roehler zelebriert sich in „Bad Director“ als Kotzbrocken

 Poltern, protzen, provozieren: Oliver Masucci als Gregor Samsa in „Bad Director“.
Poltern, protzen, provozieren: Oliver Masucci als Gregor Samsa in »Bad Director«.

Was haben Klaus Kinski, Rainer Werner Fassbinder und Oskar Roehler gemeinsam? Das Etikett „Kotzbrocken“. Mit seinem Film „Bad Director“ scheint Roehler den schlechten Ruf kraftvoll untermauern zu wollen. Oder ist das eine Finte?

Fast 90 Jahre ist es her, dass Zarah Leander im Melodram „Zu neuen Ufern“ in einem Song bekannt hat: „Denn auch ein schlechter Ruf verpflichtet“. Den trotzigen Kino-Schlachtruf hat sich Autor und Regisseur Oskar Roehler („Die Unberührbare“, „Enfant Terrible“) für seinen 2017 herausgekommenen Roman „Selbstverfickung“ mit Hingabe zu Herzen genommen. Es ist ein Buch voller Zweifeln an der deutschen Kulturlandschaft, Film und Kino vorneweg, und insbesondere Hass auf die eigene Unzulänglichkeit des Erzählers. Der heißt wie eine der berühmtesten Figuren der Literaturgeschichte, nämlich Gregor Samsa, also wie Franz Kafkas Protagonist in der bitter-komischen Gesellschaftsparabel „Die Verwandlung“. Was man durchaus als größenwahnsinnig bezeichnen darf.

Wer Roehler allerdings schon mal persönlich begegnet ist, weiß, dass all sein Poltern und Protzen und Provozieren vor allem als Schutzwall dient. Wie die meisten sensiblen Naturen erträgt er es offenkundig nicht, seine Dünnhäutigkeit freimütig zu benennen. Er kaschiert sie lieber mit grellen Momentaufnahmen des Menschlich-Allzumenschlichen. Das virtuos. Unverständlich: Aus dem aussagestarken, dem Inhalt entsprechenden Romantitel „Selbstverfickung“ wurde fürs Kino „Bad Director“. Was vielleicht griffiger, leider aber auch ziemlich zahm klingt. Erfreulicherweise ist der Film genau das nicht.

Es wimmelt von Dummbeuteln und Dilettanten

Oliver Masucci („Er ist wieder da“, „Schachnovelle“), der in Roehlers „Enfant Terrible“ (2020) als Fassbinder brilliert hat, verkörpert in „Bad Director“ nun also Roehlers Alter Ego Gregor Samsa. Der Typ ist ein seelisch verkommener und körperlich heruntergekommener Endfünfziger, als Regisseur ausgebrannt, als Charakter einfach nur mies. Da er sich selbst nicht ausstehen kann, sorgt er mit dem schlechtest denkbaren Benehmen dafür, dass ihn auch alle anderen nicht mehr riechen können.

Ob beim Filmdreh oder im Bett: Samsa ist ein Widerling. Wobei es so scheint, als passe er damit perfekt in die deutsche Kulturszene. Glaubt man dem Film, wimmelt es hier nur so von Dummbeuteln und Dilettanten. Zu gern wohl würde er alles hinschmeißen. Doch wie soll er dann seinen exzessiven Drogenkonsum bezahlen? Wie die Dienste der Sexarbeiterinnen, die er häufig in Anspruch nimmt? Wie soll er als Mr. Nobody sein nach unentwegter Beweihräucherung gierendes Ego befriedigen? Samsa steckt tief im Sumpf des drohenden Untergangs. Die alles entscheidende Frage ist, ob er da wieder rauskommt oder ob er endgültig absäuft. Und weil Masucci ein exzellenter Charakterinterpret ist, bangt man als Zuschauer gehörig mit dem von ihm vorgeführten Ekelpaket.

Maschinerie zur Profitmaximierung

Mit erzählerischer Verve und in den besten Momenten satirischer Schärfe entlarvt Roehler mit Masucci die Kunstwelt als schnöde Maschinerie zur Profitmaximierung. Da ist es egal, ob jemand Bedeutendes schafft oder nicht. Hauptsache ist, dass das, was auf den Markt geschmissen wird, am Ende jede Menge Geld bringt. Völlig unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Handelnden liebenswert sind oder nicht. Sie sind zarten Seelen oder Ekelpakete je nach Marktwert.

So darf „Bad Director“ auch als clevere Selbstvermarktung Roehlers betrachtet werden. Vergnügen dürfte daran finden, wer’s drastisch mag. Eine mutige, in die Tiefe gehende Entlarvung des verlogenen Kunstbetriebes findet allerdings nicht statt. Nicht mal persönlich lässt Roehler die Hose runter. Seine entscheidende Regieanweisung dürfte die gewesen sein: „It’s Showtime, Folks!“ Wie schon in vielen seiner Filme zuvor.

Krachlederne Erzähllust

Nur einmal bisher, in dem auf seinem autobiografischen Roman „Herkunft“ basierenden Spielfilm „Quellen des Lebens“ (2013), hat sich Roehler tatsächlich weit aus dem Fenster gewagt. Da hat er freimütig von jenen Verletzungen erzählt, die ihn geprägt haben. Großes Kino. Herzergreifend. Man hatte den Eindruck, da erzählt jemand tatsächlich mit großer Wahrhaftigkeit. Da hat er persönliches Erleben klug mit der Zeitgeschichte verwoben. „Bad Director“ weist dagegen nicht über sich hinaus.

Trotzdem ist er dank seiner krachledernen Erzähllust überaus unterhaltsam. Und er macht eines klar: Der „Kotzbrocken“ ist in Wahrheit nichts anderes als ein verunsicherter kleiner Hosenscheißer, der so gern Großes vollbrächte, aber aus Angst vor dem Scheitern immer wieder über sich selbst stolpert.

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