Miniserie Die politische Geisel wird zum Spielball

Der entführte Aldo Moro (Fabrizio Gifune) vor der Fahne der Roten Brigaden, die ihn entführten.
Der entführte Aldo Moro (Fabrizio Gifune) vor der Fahne der Roten Brigaden, die ihn entführten.

Was passiert bei der Entführung eines Politikers? Die Miniserie „Außen, Nacht“ des renommierten Italieners Marco Bellocchio gibt einen ungewohnten Einblick.

Deutschland hatte 1977 die Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer, dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) durch die terroristische Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF). Italien hatte 1978 die Entführung und Ermordung von Aldo Moro, dem Präsidenten der Partei Democrazia Cristiana durch die Terrorgruppe Rote Brigaden. Letzteres hat der italienische Regisseur Marco Bellocchio (82) in einer spannenden Miniserie verarbeitet. Es geht um das Äußere der Entführung – also nicht darum, warum er entführt wurde.

Der Clou ist der Anfang: Da sieht man, wie Moro lebend zurückkommt – wie kann das sein? Erst gegen Ende wird aufgeklärt, was es damit auf sich hat, aber man fragt sich die ganze Zeit, ob es ein Traum war oder etwas anderes.

In sechs Folgen wird zeitlich parallel erzählt, was Moros Mitpolitiker denken und wie sie handeln, was der Papst tat, was zwei der Entführer und was Moros Ehefrau. Die anderen beiden Folgen erzählen als Rahmen den Beginn der ungeplant blutigen Geiselnahme und Moros Ermordung. Natürlich ahnt man, welche Intrigen Moros Gegner nach seiner Entführung spannten. Moro wollte die Kommunisten in die Regierung holen, die große Wahlerfolge hatten, um größere Ausschreitungen im Land zu verhindern, was viele in seiner Partei entrüstet ablehnten. Sie scharrten schon mit den Hufen, um sich für neue Posten fit zu machen.

Was bisher auch nicht richtig aufgearbeitet wurde, ist die Rolle von Papst Johannes Paul VI., einem engen Freund von Moro, der gläubig war und jede Woche in die Kirche ging – was ihm auch zum Verhängnis wurde. Und gänzlich von den Medien verdrängt wurde damals die Reaktion von Moros Ehefrau Nora und den anderen Familienmitgliedern. Sie sind die einzigen, die Gefühle zeigen und gar nicht so sehr auf die Politiker einwirken, wie man es denken sollte. Aber sie helfen: Die Szenen, in der Moro seine Frau anrufen darf und behauptet, es sei nicht ihre Stimme, lässt sie vollends zusammenbrechen und alle Hoffnung verlieren, denn sie weiß nun, dass er sich schon mit seinem Tod abgefunden hat. Da sich alles parallel abspielt, sieht man manche Ereignisse mehrfach. Was sonst die Zuschauer eher nervt, sorgt jedoch hier dafür, dass man immer mehr in die Geschichte hineingezogen wird.

Bellocchio hatte 2003 über den Fall Aldo Moro bereits den Spielfilm „Buongiorno notte“ gedreht, der jedoch alles nur aus der perspektive der Entführer schilderte. Doch Bellocchio, der schon immer politische und gesellschaftskritische Filme drehte, ließ das Thema nicht los. „Esterno notte“ (Originaltitel), die Miniserie mit sechs mal 52 Minuten lief in Cannes am Stück (fünfeinhalb Stunden ohne Pause) in einer Nebenreihe, in Italien kommt sie in zwei Teilen ins Kino, im Herbst dann ins Fernsehen, in Deutschland bei Arte. Und man fragt sich, ob so eine Serie nicht auch eine gute Möglichkeit wäre, die Schleyer-Entführung auf diese Art aufzurollen.

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