Kultur Der unwahrscheinliche Held

„Glaubst du wirklich, nur mit ein bisschen Fußball ist alles vergessen? Auch der Krieg?“, fragt die von Bernd Trautmann (David K
»Glaubst du wirklich, nur mit ein bisschen Fußball ist alles vergessen? Auch der Krieg?«, fragt die von Bernd Trautmann (David Kross) verehrte Margaret Friar den deutschen Torhüter anfangs noch skeptisch.

Als große Liebesgeschichte, die jeder Anfeindung widersteht, erzählt der für seine modernen Heimatfilme bekannte Regisseur Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“) in „Trautmann“ von Bernd Trautmann, der als deutscher Kriegsgefangener nach England kam und zum legendären Torwart von Manchester City wurde. Natürlich aber geht es auch um die großen Themen Schuld, Vergebung und Versöhnung, um offene Herzen und die völkerverbindende Kraft des Fußballs. Mitunter aber macht es sich Rosenmüller zu einfach.

Der Weg ins Herz einer Frau führt – über ihre kleinere Schwester. Wir schreiben das Jahr 1945. Bernd Trautmann (David Kross, bekannt aus „Der Vorleser“ mit Kate Winslet) gerät kurz vor Kriegsende in englische Gefangenschaft und landet in einem Lager im Norden Englands bei St. Helens. Der leitende Sergeant Smythe (Harry Melling) macht ihm hier schnell klar, wie sehr er alle Deutschen hasst. Trautmann ist ihm nicht unterwürfig genug und muss Latrinen reinigen. Die Aussichten sind trübe, zumal ein glühender Nazi unter den Gefangenen den Ton angibt. Trautmann ist entsetzt, aber wagt keine Konfrontation. Er festigt seine Stellung lieber durch sein Können im improvisierten Fußballtor: Elferhalten gegen Zigaretten. Seine Künste beobachtet auch Lebensmittelhändler Jack Friar (John Henshaw), der das Lager mit Waren versorgt – und den lokalen, abstiegsbedrohten Fußballverein trainiert. Auch seine eigensinnige Tochter Margaret (Freya Mavor) sieht den schmucken Blondschopf, der alle Elfer hält, und tritt ebenfalls gegen ihn an. Trautmann lässt den Ball durch. Doch so einfach lässt sich Margaret nicht gewinnen. Sie blickt zunächst auf ihn wie auf alle „Krauts“ mit Verachtung herab. Schließlich hat der Krieg ihr die jugendliche Unbeschwertheit genommen. So ist sie gar nicht begeistert, als ihr Vater den Deutschen in seine Fußballmannschaft holt. Regelrecht empört aber ist sie, als der nun schlicht „Bert“ gerufene Gefangene auch noch im Laden hilft. Doch dann kommt die kleine Schwester Barbara ins Spiel, die sonst kein Verehrer Margarets eines Blickes würdigt. Bert aber baut der pummeligen Rothaarigen Stelzen, und sie blüht auf. Viel Zeit nimmt sich Regisseur Marcus H. Rosenmüller, um den Beginn der Liebe zwischen dem verhassten Deutschen und der selbstbewussten Engländerin zu erzählen. Schließlich steht diese Beziehung sinnbildlich für die Annäherung der verfeindeten Länder. Ganz langsam ist Margaret bereit, den Menschen hinter dem Feindbild zu entdecken – und verliebt sich. Denn dieser Bert ist anders als ihr eigentlicher Galan, weniger selbstgerecht, freundlicher, lustiger. Vor allem behandelt er sie als gleichberechtigte Partnerin, begegnet ihr auf Augenhöhe. Und so verteidigt Margaret nach der schnell geschlossenen Ehe und dem Vertrag mit Manchester City auch bald ihren Mann vehement gegen Kritiker. Auch auf der ganz großen Bühne: In einer zentralen Szene bittet sie die Vereinsoberen, aufgebrachte Fans, Journalisten und den lokalen Rabbi um mehr Offenheit. Denn dass ein ehemaliger deutscher Soldat das Tor von Manchester City hüten soll, sorgt bei der öffentlichen Vorstellung des immerhin mit dem Eisernen Kreuz dekorierten Fallschirmjägers für heftige Gegenreaktionen, ja großen Hass. Der Film blendet also die offenen Wunden durch den noch so nahen Krieg nicht aus. Und passt auch in unsere Zeit mit wachsendem Hass gegenüber Fremden. Allerdings gelingt es Rosenmüller weniger, mitempfinden zu lassen, dass es eben vor allem die Erfolge Trautmanns im Tor von Manchester City waren, die ihn zur Legende reifen ließen. Die mit vielen Digitaleffekten arbeitenden Fußballszenen versuchen zwar, die damalige Spieltechnik nachzustellen und dennoch zu elektrisieren. Sie wirken aber zu stilisiert. Auch verzichtet der Film darauf, die Dynamik innerhalb der Mannschaft zu zeigen. Weitere Fußballercharaktere fehlen, nie scheint Bert mit einem Vereinskameraden zu sprechen, wir sehen kein Training, es gibt keine Freundschaften, aber auch keine teaminterne Kritik. Der Film will offenbar allein Taten im Tor sprechen lassen und sich auf Trautmanns eigene Psychologie konzentrieren: Ein Trauma aus dem Krieg verfolgt ihn, ein Moment, in dem ein ballspielendes Kind den Pfad seines Trupps kreuzt. Rosenmüller versteht es, gerade solche ikonischen Augenblicke bildkräftig zu inszenieren und die Zuschauer mitten ins Herz zu treffen. Und vielleicht muss man diese wundersame Geschichte von einem deutschen Fußballer, der ausgerechnet die Engländer und ausgerechnet kurz nach dem Krieg so sehr begeisterte, dass sie nach dem Ende seiner 545 Spiele langen Karriere gar sein Tor abrissen, damit kein anderer zwischen diesen Pfosten stehen kann, in solch dramatischen Schlaglichtern erzählen. Natürlich fehlt auch jene Episode nicht, die ihn endgültig zum Helden machte: das Pokalfinale 1956 im FA-Cup in Wembley vor 100.000 Zuschauern. Manchester City gegen Birmingham. Manchester City führt, als Trautmann bei einer Parade schwer verletzt wird: Er hat sich das Genick gebrochen. Und spielt weiter, die gebrochenen Wirbel werden noch weiter belastet. Doch der Torhüter stirbt nicht. Rosenmüller erzählt dies in einer Rückblende vom Krankenbett aus, wo Margaret empört ob der Dummheit ihres Mannes jegliche Heldenverehrung ablehnt, zu der ihr Vater bereits anhebt. Bert liegt da etwas unbeteiligt zwischen den Streitenden und lächelt kurz in sich hinein – typisch auch für David Kross’ reduziertes Spiel, das die stets drohende Kitschgefahr unterläuft. Hier könnte der Film enden, doch Rosenmüller verarbeitet noch eine persönliche Tragödie des Torhüters: So ist die erste internationale Produktion des bayerischen Regisseurs – er drehte auf Englisch rund um Belfast für elf Millionen Euro – vor allem eine private Geschichte über den Willen weiterzuleben auch nach Schicksalsschlägen. Und er beleuchtet stimmig die Haltung dieser Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Um Aufarbeitung von NS-Verbrechen ging es noch nicht, vielmehr darum, erst einmal wieder einen Alltag, ein Miteinander über Grenzen hinweg zu ermöglichen. Und da hilft die Liebe allemal. Auch die zum Fußball, selbst wenn „Trautmann“ wahrlich kein Fußballfilm ist. Und so manches Biografische doch zugespitzt ist: So war Margaret nicht die erste englische Liebe des echten Torwarts, sie heirateten auch erst 1950, als er schon bei Manchester City spielte. Und die Ehe hielt nicht.

Der wahre Bernd Trautmann starb zwar 2013 mit 89, trug aber noch zur Drehbuchentwicklung bei.
Der wahre Bernd Trautmann starb zwar 2013 mit 89, trug aber noch zur Drehbuchentwicklung bei.
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