Mannheim Über die Hässlichkeit: Moshtari Hilal beim Festival lesen.hören

Moshtari Hilal
Moshtari Hilal

„Schiefe Zähne, langes Gesicht, große Nase“, Moshtari Hilal erzählt, dass sie mit 14 beim Betrachten ihrer Passfotos das erste Mal lernte, „dass ich hässlich bin“. In ihrem autobiografischen Essay beginnt alles bei ihr, um „in uns allen zu enden“. „Hässlichkeit“ heißt das Buch. Hilal hat es beim Festival lesen.hören vorgestellt.

Moshtari Hilal ist Künstlerin, Kuratorin, jetzt auch Debütautorin. 1993 in Kabul geboren. Sie lebt in Deutschland seit sie zwei ist. Damals, mit 14, erzählt sie der Journalistin und Moderatorin Christiane Lutz am Montagabend in der schönen, vollen Alten Feuerwache, habe ihre Mutter die Fotos, die den Teenager lächelnd und mit Haarband zeigen, versonnen in der Hand gehalten – bevor sie sie in einer Schublade verschwinden ließ. Auf der „vergeblichen Suche“ nach einer „hässlichen Pferdefresse“, sagt Hilal, habe sie die Aufnahmen dann 14 Jahre später wieder hervorgekramt. Sie sind in dem bei Hanser erschienenen Werk abgedruckt, für das sie zuallererst in sich selbst recherchierte. Auf dem Cover des Buches sollte „Hasslichkeit“ stehen. Sie fragt sich darin, „was sich aus der Hässlichkeit lernen lässt“. Die beiden fehlenden Punkte sollten über dem „a“ auf dem Umschlag herumfliegen. Der Lektor war dagegen. Der Hass, der zur Hässlichkeit gehört, ist trotzdem in dem allgegenwärtig.

„Hässlichkeit ist eine Idee, keine Wahrheit“, ist einer der Sätze, der sich herauskristallisiert. Der Kontext zählt. „Niemand ist hässlich, ohne angesehen zu werden.“ Niemand ist – wegen Krankheit, Alter, Tod – vor ihr gefeit. Die Schönheit ist eine fragile Ausnahmeerscheinung. Von ihrer Nase kommt Hilal dann auf Nasen-OPs zu sprechen, rassistische, kolonialistische, kapitalistische Hässlichkeitsregime, die das angeblich Unschöne ausgrenzen, um so davon zu profitieren. Auf „soziale“ Medien wie TikTok und Instagram, die Normen setzten, spielt sie an, auf Kim Kardashian, die fatale Patientin Zero der Jetztzeit-Schönheitsindustrie. Und dann erzählt sie die Geschichte von Nasen-Joseph, einen jüdischen Arzt, der Anfang der 1930er „jüdische Nasen“ zur – ein besseres Leben versprechenden – „Normalform“ umoperierte. Bald ist Hilal bei der „Scham, als schön zu gelten und damit der Seite der Ungerechtigkeit“ anzugehören. Ein ernster, konzentrierter, angespannt humorloser Abend, an dessen Ende Moshtari Hilals Fazit steht: „Je mehr ich über Hässlichkeit erfahre, desto mehr versöhne ich mich mit ihr“. Sie appelliert dann noch: „Wir sollten das Hässliche auch respektieren lernen, Wenn wir eine Wahl hätten, dann sollten wir uns gegen die Seite der Gaffenden entscheiden und uns an die Seite der Hässlichen stellen.“ Sehr viel Applaus. Leider ohne Publikumsgespräch geht der Abend zu Ende.

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