Sport Die Schmerzen nach dem Auftaktspiel

Wurde hart angegangen: Dzsenifer Marozsan am Boden.
Wurde hart angegangen: Dzsenifer Marozsan am Boden.

Die deutschen Nationalspielerinnen lecken in einem noblen Vorort von Lille ihre Wunden. Um Spielmacherin Dzsenifer Marozsan wird gebangt.

Eine Tour de France hält mitunter auch eigenwillige Etappen bereit. Für das zweite WM-Gruppenspiel gegen Spanien (Mittwoch, 18 Uhr) im nordfranzösischen Valenciennes hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft ein direkt an die Autobahn gebautes Mittelklassehotel in Marcq en Baroeul im Norden von Lille beziehen müssen. Die noble 38.000-Einwohner-Vorstadt ist vom nächsten Spielort Valenciennes an der belgischen Grenze zwar noch eine Dreiviertelstunde Autofahrt entfernt, aber das gehört für die deutschen Fußballerinnen genauso dazu, wie die knapp 600 Kilometer von Rennes nach Lille im Schnellzug TGV zurückzulegen. Die Kunst ist es, Reisen mit Regeneration zu verknüpfen, wenn ein 1:0-Arbeitssieg wie gegen China mit derlei körperlichen Qualen verbunden ist. „Da waren grenzwertige Sachen dabei, mit auf die Füße treten oder in den Gegner reinspringen“, sagte Torhüterin Almuth Schult. Der Auftakt lieferte einen Vorgeschmack auf den weiteren Turnierverlauf: Die Widerstände haben sich im Frauenfußball vergrößert, weil die Athletik bei fast allen Teilnehmern teils signifikant besser geworden ist. Bedeutet: Wer weit kommen will, muss auch weit über die Schmerzgrenze.

Keine ohne blauen Fleck

„Es gibt keine einzige Spielerin, die keinen blauen Fleck hat“, berichtete Verteidigerin Kathrin Hendrich. Am schlimmsten hat es Spielmacherin Dzsenifer Marozsan erwischt, die früh von Shanshan Wang mit gestrecktem Bein angegangen wurde. „Ihr Fuß sieht nicht gut aus“, hatte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg direkt danach erklärt. Seitdem heißt es aus dem DFB-Lager nur, dass bei ihrer Fußproblematik „von Tag zu Tag geschaut“ werde. Doch ob es sich um eine Prellung, Fleischwunde oder Bänderverletzung handelt: Dazu gab es gestern auch auf Nachfrage bei Assistenztrainer Patrik Grolimund keinerlei Auskunft. Nur so viel: Auch die deutsche Nummer zehn „geht wieder in die Belastung“. Laut dem Schweizer sehe es gut aus, „dass wir alle wieder gesund kriegen.“ Die mit Abstand beste Fußballerin fehlte allerdings beim munteren Nachmittagstraining im Stade Lille Metropole, absolvierte nur eine individuelle Einheit im Kraftraum.

MVT: Nicht die chinesische Härte allein war schuld

Die Geheimniskrämerei um die Starspielerin von Olympique Lyon kommt nicht von ungefähr: Die 27-Jährige gilt als gebranntes Kind, da sie schon bei der WM 2015 in Kanada im Training auf Kunstrasen umknickte, sich anschließend angeschlagen durch die Spiele schleppte, ehe sie danach wegen einer Operation am Sprunggelenk monatelang ausfiel. Voss-Tecklenburg wollte die Startschwierigkeiten indes nicht allein auf die gegnerische Härte schieben: „Das wäre mir zu einfach, wir haben uns selber rausgebracht.“ Entweder mit langen Schlägen, die ihren Spielplan konterkarierten. Oder mit selbst von der Bundestrainerin als „No-Go“ bezeichneten Querpässen von Sara Doorsoun, die das Gift der Verunsicherung in die wacklige Abwehr übertrugen. Es stellt sich ja die Frage, wie schnell die Lernprozesse bei jenen 15 Akteurinnen dauern, die ihre erste WM spielen. Ein zweites Mal wird der „Fußball-Gott“ vielleicht nicht das Stoßgebet von Voss-Tecklenburg erhören, die sich im Roazhon Park von Rennes mit gefalteten Händen für die „drei Punkte bedankte“.

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