Rheinland-Pfalz Flüchtlingswelle auf Rekordhöhe

Trier. Im vergangenen Jahr sind 5600 Asylbewerber nach Rheinland-Pfalz gekommen. So viele wie seit 20 Jahren nicht mehr. Und die Flut schwillt weiter an: In diesem Jahr werden 9600 Flüchtlinge erwartet. In der zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Trier treffen täglich im Durchschnitt 70 neue Flüchtlinge ein. Diese Woche hat Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) dort eine neue Spielstube eingeweiht.

In der Aufnahmeeinrichtung in der Trierer Dasbachstraße sind an diesem Morgen 100 Flüchtlinge angekommen, noch mehr als üblich. Alle haben eine lange, gefahrvolle Reise hinter sich, sind geflohen vor Armut, Hunger und Gewalt. Für die Asylbewerber aus Syrien ging es oft ums nackte Überleben. Sie kommen aus völlig zerstörten Städten und Dörfern. Viele haben schreckliche Bilder im Kopf, haben Tote und Verletzte gesehen. Das gilt auch für die Kinder, die mit großen Augen ihre neue Umgebung betrachten. Zur Zeit sind 200 Kinder in der Dasbachstraße untergebracht. Hier sollen sie für ein paar Wochen zur Ruhe kommen, die Schule besuchen oder in der frisch eingeweihten Spielstube gemeinsam basteln und singen. Den Alltag verbringen die Familien in einfach eingerichteten Zimmern mit Etagenbetten. In der Mitte steht ein Tisch mit ein paar Stühlen. Auf jedem Flur gibt es eine Gemeinschaftsküche mit Spülsteinen und Kochplatten. Die karge Ausstattung wirkt provisorisch und ist auch nicht auf Dauer angelegt. Die Flüchtlinge bleiben höchstens fünf Wochen, dann werden sie auf die Gemeinden in Rheinland-Pfalz verteilt. „Früher sind die Leute bis zu drei Monaten geblieben“, sagt der Leiter der Aufnahmeeinrichtung, Wolfgang Bauer: „Das geht heute nicht mehr, die Einrichtung würde unter dem Ansturm zusammenbrechen.“ Zur Zeit leben 850 Menschen in der Einrichtung, obwohl sie für maximal 700 Personen ausgelegt ist. Schon im vergangenen Jahr hat man daher auf dem Gelände zusätzliche Wohncontainer aufgestellt. Seit vier Monaten werden auch Räume in der stillgelegten General-von Seidel-Kaserne der Bundeswehr im Westen der Stadt genutzt. Dort sind weitere 130 Asylbewerber untergebracht. Die insgesamt größte Gruppe stellen die Syrer, die vor dem Bürgerkrieg Zuflucht gesucht haben. An zweiter Stelle stehen die Schwarzafrikaner aus Eritrea und Somalia, die zum Teil über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind. Stark vertreten sind auch Flüchtlinge aus dem Balkan, darunter viele Sinti und Roma. Sie alle bevölkern die Flure und Höfe, sitzen auf den Bänken und warten. Arbeiten dürfen sie nicht, und sie müssen an Ort und Stelle bleiben, bis sie auf die Gemeinden verteilt werden. „Es werden noch viel mehr“, erwartet Wolfgang Bauer. Die Landesregierung hat auf die angespannte Situation in Trier reagiert und die schon geschlossene Aufnahmeeinrichtung in Ingelheim wieder mobilisiert. Knapp 200 Asylbegehrende finden dort zur Zeit Platz. Der Standort soll zügig ausgebaut werden. Bis zum Jahresende will man fertig sein und 500 Flüchtlinge dort unterbringen. Und wenn das immer noch nicht reicht? „Dann müssen wir weiter ausbauen“, sagt Ministerin Irene Alt. Notfalls müsse ein dritter Standort her, sagt sie: „Das schließe ich nicht aus.“ Von den Warnungen des Bundesinnenministers, Thomas de Maizière (CDU), „die Hilfsbereitschaft der Bürger nicht zu überfordern“, hält Irene Alt nichts. Ebenso wenig vom Berliner Kabinettsbeschluss, die Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien als „sichere Staaten“ einzustufen und Asylbewerber aus diesen Ländern von vornherein abzulehnen. Nach ihrer Überzeugung ist das nicht der richtige Weg, mit dem Ansturm der Flüchtlinge fertig zu werden. Ausdrücklich begrüßt die Ministerin die Zusage Deutschlands, weitere 10.000 Asylbewerber aus Syrien aufzunehmen. „Die Nachbarländer dort haben Millionen Menschen aufgenommen“, sagt Irene Alt. Ein reiches Land wie Deutschland müsse dann auch seinen Anteil leisten. Für das laufende Jahr rechnet die Ministerin angesichts der wachsenden Asylbewerberzahlen mit Mehrausgaben für Rheinland-Pfalz von insgesamt 45,5 Millionen Euro. Sollten in Rheinland-Pfalz alle Aufnahmeeinrichtungen überfüllt sein, will das Ministerium die Flüchtlinge notfalls in Hotels unterbringen. Erste Gespräche laufen schon.

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