Frankenthal Siemens-Standort: „Verkauf besser als Verlagerung“

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Für den vollständigen Erhalt des Siemens-Standorts Frankenthal haben gestern rund 600 Teilnehmer einer Protestkundgebung am Rathaus demonstriert. Oberbürgermeister Theo Wieder (CDU) sprach sich nach einem Treffen mit Vertretern der Konzernführung für den Verkauf des kompletten Betriebs aus.

Siemens will den Bau von Dampfturbinen nach Tschechien verlagern. Am Standort Frankenthal sollen 210 von 600 Arbeitsplätzen abgebaut werden. Das hatte der Konzern in einer Mitarbeiterversammlung am 7. Oktober angekündigt. Die Verdichter-Sparte soll profitabler gemacht und dann verkauft werden (wir berichteten mehrfach). Karl Franz, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, warf der Unternehmensführung gestern „Managementfehler“ vor: „Hier soll ein Unternehmen geopfert werden, das vor Kurzem noch hochprofitabel war und mit Renditen von bis zu 20 Prozent glänzte.“ Franz vertrat den Betriebsratsvorsitzenden Hilmar Feisthammel, der zu einer Versammlung der Siemens-Betriebsräte nach Berlin gefahren war. Er sprach von einem „vorübergehenden Rückgang der Margen“, für den die Geschäftsführung die Verantwortung trage. Franz rief zur Solidarität innerhalb der Belegschaft auf: „Es geht nicht allein um die 210 Arbeitsplätze, die jetzt zur Diskussion stehen, es geht um den ganzen Standort. Es lohnt sich, für einen Betrieb zu kämpfen, der hervorragende Zukunftschancen hat.“ Man dürfe nicht zulassen, „dass in Frankenthal der nächste traditionsreiche Indu-striestandort verschwindet und Platz macht für einen weiteren Baumarkt oder ein weiteres Einkaufszentrum“, meinte Franz. Die Stadtplanung verfolge nicht das Ziel, auf dem Gelände einen weiteren Baumarkt anzusiedeln, betonte Oberbürgermeister Theo Wieder (CDU). Die Stadt kämpfe zusammen mit der Belegschaft gegen die Zerschlagung des Standorts und unterstütze die Bemühungen um eine Alternativplanung. Bei einem Treffen mit der Frankenthaler Geschäftsführung und Vertretern der Konzernleitung am Montag habe er die Ablehnung der Siemens-Pläne durch die Stadt unterstrichen. Die Entscheidung stoße in der Stadt auf großes Unverständnis, sagte Wieder. „Die in Frankenthal produzierten Dampfturbinen sind am Markt gut positioniert, die Sparte ist nicht unprofitabel.“ Auf seine Frage, warum diese nun nach Tschechien verlegt werden soll, habe er von den Konzernvertretern keine vernünftige Antwort bekommen, meinte der Oberbürgermeister. „Siemens beharrt darauf, Kosten einsparen zu wollen.“ Dabei müsse eine entsprechende Produktionslinie im Nachbarland erst aufgebaut werden. Eine „erstaunliche Reaktion“ habe die Frage ergeben, ob es im tschechischen Werk bereits qualifiziertes Personal für die Produktion von Dampfturbinen gebe: Das habe man noch nicht überprüft, habe es am Montag geheißen, so Wieder. Siemens wolle wohl auf mittlere Sicht einen Standort los werden, befand das Stadtoberhaupt. Besser als eine Verlagerung wäre der Erhalt der Turbinenproduktion und ein Verkauf des gesamten Frankenthaler Werks. Auch das werde von Siemens geprüft, sagte Wieder. „Es kommt jetzt darauf an, ein Alternativkonzept zu entwickeln.“ Dabei vertraue er der Technologieberatungsstelle (TBS) des Landes, dem Betriebsrat und der IG Metall (IGM), die darüber mit Siemens berieten. Für diese Gespräche gebe es Termine bis in den Januar hinein, erklärte Günter Hoetzl, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ludwigshafen/Frankenthal. Dass allein reiche aber nicht. „Wir werden weiter für den Erhalt des Standorts kämpfen müssen, vielleicht beim nächsten Mal auch in einem viel größeren Rahmen“, betonte Hoetzl. Es gehe um Arbeitsplätze, die die Region dringend brauche, meinte der Bundestagsabgeordnete der Linken, Alexander Ulrich, der dem Unternehmen „Versagen“ vorwarf. „Siemens will hier eine Entscheidung herbeiführen, ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommt.“ Ein möglicher Verlust des Werks würde Frankenthal hart treffen, unterstrich Ulrich. „Eine Stadt, die eine gute Perspektive haben will, ist auf die mit Industriestandorten verbundene Wertschöpfung angewiesen.“ In der Münchner Konzernzentrale denke niemand an die Existenz der Mitarbeiter, meinte Tim Wolf von der Jugend- und Auszubildendenvertretung im Frankenthaler Siemens-Werk. „Ältere Kollegen werden rücksichtlos aufs Abstellgleis geschoben, und den Jüngeren wird die Zukunft verbaut.“ David Langner, SPD-Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Arbeitsministerium sicherte der Siemens-Belegschaft die Unterstützung der Landesregierung zu. Zur Protestaktion waren auch unter anderem Vertreter der ortsansässigen Firmen KBA, KSB, TLT sowie von Borg Warner (Kirchheimbolanden), Halberg (Ludwigshafen), Pfälzische Flugzeugwerke (Speyer) und Opel (Kaiserslautern) nach Frankenthal gekommen.

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