Rheinpfalz Pfälzer Hofkoch in Wien

  Das Palmenhaus, eine Glas-Eisenkonstruktion mit grünem Innenleben, ist eine Mischung aus Späthistorismus, Barock und Jugendsti

Als letzte große Orangerie Europas, Abgesang habsburgischer Größe, entstand in der Wiener Hofburg 1901 das Palmenhaus. Der Küchenchef spricht Wienerisch. Doch Volker Fried ist Pfälzer. Von Monika Lauer

Es ist alles großartig in der Wiener Hofburg. Die selbstverliebte K&K-Monarchie zelebrierte hier 600 Jahre lang mit aller Pracht ihre Macht. Wer sich durch Tonnen edelmetallenen Tafelgeschirrs in der Silberkammer gekämpft hat, vom Glanz halb erblindet, wer die opulenten Kaiserappartements inklusive der verschwenderischen Roben von Kaiserin Elisabeth (Sisi) hinter sich gelassen hat, der braucht Luft zum Durchatmen. Die gibt es im Burggarten. Herrlich. Labung gibt es im Palmenhaus. Köstlich. Doch nicht alles ist habsburgisch, was glänzt. In der Küche herrscht ein Pfälzer, ein Wollmesheimer. In diesem Landauer Stadtdorf ist Küchenchef Volker Fried aufgewachsen, der Kopf der 14-köpfigen Brigade. Wer zur Wollmesheimer Dampfknopp-Kerwe seinen Hund in Weinbergen ausführt, trifft die Wienerin Susanne Fried mit Hündin Luca. Am Abend, auf der Dorfkerwe, wird sie von Hund und Mann begleitet. Und es stellt sich heraus, dass der 51-Jährige mit dem unverkennbaren Wiener Akzent bekennender Pfälzer und Küchenchef im Palmengarten ist. Entdeckt hat Fried seine Leidenschaft als Schulpraktikant im katholischen Altenzentrum in Landau beim damaligen Küchenchef Claus Schreiner. Der 15-Jährige trat im Leinsweiler Hof eine Ausbildung bei Rudi Rebmann an. Nach Zwischenstationen kam seine große Chance in der Schweiz. Der Pfälzer lernte die Nouvelle Cuisine und seine Frau kennen. Bei Irma Dütsch, der Grande Dame der Schweizer Haute Cuisine, hielt es ihn drei Jahre, bei Susanne bis heute. Dann 1990 Österreich: Haubenküche in Mauerbach bei Wien; Hauben vergibt der Gastronomieführer Gault Millau – Österreich ist Michelin-Stern-freies Territorium. Die Frieds kaufen ein Haus, der älteste Sohn wird geboren. Seinen drei mittlerweile erwachsenen Kindern hat Fried abgeraten, auch die (Koch-)Haube aufzusetzen. Bei aller Begeisterung: Viele private Aktivitäten muss man aufgeben, sagt Fried, der einst passionierter Fußballer und Leichtathlet war. Wenn andere feiern, arbeitet ein Koch. Das, sagt er, geht nur, wenn der Partner weiß, was auf ihn zukommt. Seine Frau wusste es. Sie arbeitete im Service, als beide sich kennenlernten. „Zu Beginn hab’ ich Wien gehasst“, blickt Fried zurück. Heimisch geworden ist er nie in der „Riesenstadt“. Er lebt auf dem Land, mit Familie, Hund und drei Hühnern. Die 30 Kilometer ins Palmenhaus fährt er mit seinem Elektroauto. „Ich bin eher ein Landei geblieben“, sagt er und träumt davon, in nicht allzu ferner Zukunft in die Pfalz zurückzukommen. Wenigstens für vier Monate im Jahr. „Der Herbst ist so irrsinnig schön.“ Aber sein Arbeitsplatz ist ja so schlecht nicht. Das Palmenhaus, eine Glas-Eisenkonstruktion mit grünem Innenleben, eine Mischung aus Späthistorismus, Barock und Jugendstil, war Wintergarten und Blumensalon der Hofes und öffnete erst 1918 seine Türen für das gemeine Volk. Seit 2004 steht Fried hier in der offenen Küche, seit Jahren als Küchenchef. Gekocht wird international mit Schwerpunkten Fisch und Wiener Spezialitäten. Bei der Zusammenstellung der Speisekarte lassen die Pächter des Prachtgebäudes der Kreativität ihres Küchenchefs Raum. Wer seine Veilchen-Panna-Cotta mit Brombeerröster gekostet hat, weiß, dass die Bezeichnung „Café-Brasserie“ ein für Wien völlig atypisches Understatement ist. In seiner Küche wie im richtigen Leben die Pfalz und Wien zu vermählen, fehlt Fried noch der Mut. Er isst gerne Saumagen, „aber unter dem Namen kann man ihn in Wien nicht verkaufen“, sagt er und experimentiert weiter. Die in Wien als Käsekrainer bekannten Würstchen hat er zur Kalbsbratwurst mit Mozzarella veredelt. Und aus den Resten des Kalbfleischs, das die Crew selbst zum Wiener Schnitzel zurechtschneidet, werden Kalbfleischburger mit Mango-Chili-Salsa. Da sollte es mit der Saumagen-Variation doch auch noch was werden. In der österreichischen Küche outet sich Fried als Süßmaul, liebt Germknödel, Palatschinken und Kaiserschmarrn. Pfälzer Leberknödel und Rumpsteak mit Zwiebelsauce gibt’s spätestens wieder im Februar, wenn er seine 81 Jahre alte Mutter besucht. Zweimal im Jahr, und das seit 26 Jahren, pendelt er zwischen Wien und Wollmesheim. Etwa Frieds Fluchtort? Hält er’s mit dem Wiener Alles-Künstler André Heller? Der zählt zu den „kostbaren Wiener Orten“ das Palmenhaus, das ihm in seiner Kindheit „als erster Fluchtort in wärmere, ermutigendere Regionen der Welt diente“. Heller meint zwar das Palmenhaus von Schloss Schönbrunn, fünf Kilometer weiter im Südosten der Stadt. Aber da wollen wir jetzt kein Nudldrucker sein.

 Mit einer leckeren  Oliven-Kapern-Tapenade grüßt Volker Fried aus der offenen Küche im Palmengarten.
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