Über den Kirchturm hinaus Freude ist das Geheimnis

Frank Schuster
Frank Schuster

Warum sind wir gerne auf der Welt?

Elan, Power, Lebenszunder brauchen wir in Fülle. Die Natur kann einfach so da sein – wir Menschen brauchen Antrieb, Sehnsucht. Was treibt uns an, gerne auf der Welt zu sein? Denn nicht aus Frust wollen wir hier sein. Schon eher zur Übung, um später mal sehnsüchtig hinüberzugehen in eine bessere Welt. Leben als Schule, bis wir versetzt werden in die Erntezeit; hoffentlich reif geworden, Erfüllung zu genießen. Hiersein aber ist doch herrlich, meint Rilke. Leben dürfen ist ein großer Wurf. Solange du das Leben willst und nicht verstößt, Mensch, hat Gott auch Lust, den Karren Wirklichkeit weiterzuziehen. Du ziehst ein Foto aus dem Schlamm oder gibst ein Quantum „Brot für die Welt“ – und beides ist eine kleine Rettung vorm Weltuntergang.

Schütte keinen Tintenklecks über dein Lebensheft. Es ist so leicht, alles in den Dreck zu ziehen. „Überleg einmal genau, wer wirklich schuld an deinem Griesgram ist! Du leidest nämlich keineswegs an dem, was du wirklich siehst – du leidest bloß an deinen ekligen Ansichten.“ (Botho Strauß) Wenn da was dran ist, dann hast du alle Chancen, dich gesund zu glauben. Bitte, lerne gut von dir zu denken. Du sollst dich doch lieben wie deinen Nächsten und das gute Ganze.

Wer was kann, wird gebraucht

Du hast was zu geben, hast was zu teilen, kannst was erzählen, willst was bewirken. Begeisternd die Kinder, wie sie alles selber machen wollen; „selber“ ist eine Weile ihr Zauberwort. Und sie stemmen die schwere Tasche, versuchen die Kartoffel zu schälen, kneten den Teig, wollen bestaunt werden. Etwas treibt uns, was zu schaffen. Etwas in uns rappelt uns wieder hoch. Wir wollen unser Wachstum zeigen. Solange du noch was kannst, bist du nötig. Und wenn du mal Hilfe brauchst, nützt du erst recht: Du machst bei anderen Wohltaten locker, entzündest Dank für Fähigkeiten.

Freu dich, geliebt zu werden und zu lieben. Umarme, küsse, sei zart – da ziehst du doch den Honig des Lebens raus. Eine andere schön machen durch dein Wahrnehmen, einen anderen gut machen und ihm durch dein Wort zum Recht verhelfen. Die Genugtuung ist doch reizvoll, einigermaßen klar zu kommen, dich und die Deinen ernähren zu können durch Nutzen für andere – und nicht so viel Müll zu hinterlassen.

Freude lass dein Geheimnis sein. Das Leiden hinterlässt in der Erinnerung lange, bittere Geschichten. Die Freude schenkt uns nur Augenblicke des Glücks. Darum keine Freude auslassen, viel Freude mit anrühren. Blumen, Spaziergänge in der Sonne, unterm Sternenhimmel, Gespräche, Musik, Wein, Lachen. Beschaff dir Lebensmut.

Frank Schuster, Pfarrer an der Martin-Luther-Kirche in Neustadt

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