Vor der Wahl Trotz Schulden: An den Kindern will keiner sparen

Martin Brandl (CDU), Ziya Yüksel (SPD) und Bernd Schattner (AfD; von links) stellten sich ebenso den Fragen der Moderatoren wie
Martin Brandl (CDU), Ziya Yüksel (SPD) und Bernd Schattner (AfD; von links) stellten sich ebenso den Fragen der Moderatoren wie ...

Für welche Inhalte stehen die sechs Landratskandidaten? Nicht nur diese Fragen wurden bei der RHEINPFALZ-Podiumsdiskussion beantwortet. Auch Menschliches kam zur Sprache.

„Bitte gehen Sie wählen!“, appellierte die Leiterin der Lokalredaktion Germersheim-Wörth, Nicole Tauer, am Ende der von ihr und Redakteur Jörg Petri moderierten zweieinhalbstündigen RHEINPFALZ-Podiumsdiskussion zur Landratswahl in der Wörther Festhalle an die über 300 Gäste. Darunter waren sehr viele Anhänger der sechs Kandidierenden: Barbara Christina Merz von Bündnis 90/Grüne, Nicolas Schwarz von der Satirepartei Die Partei, Volker Hardardt (FWG), Martin Brandl (CDU), Ziya Yüksel (SPD) und Bernd Schattner (AfD), die allesamt kurz vorgestellt wurden. Hinzu kamen aber auch viele Amts- und Mandatsträger sowie Mitarbeiter der Kreisverwaltung.

... Barbara Christina Merz (Grüne), Nicolas Schwarz (Die Partei) und Volker Hardardt (FWG; von links).
... Barbara Christina Merz (Grüne), Nicolas Schwarz (Die Partei) und Volker Hardardt (FWG; von links).

Die stellvertretende RHEINPFALZ-Chefredakteurin, Birgit Schwarz, wies darauf hin, dass am 9. Juni rund 100.000 Wahlberechtigte im Kreis Germersheim einen neuen Landrat wählen können. Sie erinnerte an die jüngsten Attacken auf Politiker und zerstörte Wahlplakate. Ihres Erachtens resultiert ein solches Verhalten aus einem Gefühl der Ohnmacht. Die Podiumsdiskussion sollte es den Bürgern ermöglichen, sich zu informieren sowie die Kandidierenden näher kennenzulernen und das, wofür sie stehen.

Ära endet

Wenn Landrat Fritz Brechtel (CDU) im November sein Amt nach über 20 Jahren niederlegen wird, „endet eine Ära“, sagte Tauer. Sechs Leute wollen Chefin/Chef im Germersheimer Kreishaus werden, sprich, die Nachfolge des CDU-Mannes antreten. Deshalb betonte sie, dass es in der Diskussion nicht um bundespolitische, sondern nur um Kreisthemen gehen soll. „Spielen Sie mit, ermöglichen Sie eine sachliche Debatte!“

Die Moderatoren Nicole Tauer (Mitte) und Jörg Petri sowie Birgit Schwarz, stellvertretende Chefredakteurin der RHEINPFALZ.
Die Moderatoren Nicole Tauer (Mitte) und Jörg Petri sowie Birgit Schwarz, stellvertretende Chefredakteurin der RHEINPFALZ.

Co-Moderator Petri wollte zunächst wissen, wo die nächste Chefin, der nächste Chef der Kreisverwaltung mit ihren rund 600 Mitarbeitern Schwerpunkte setzen würden, Stellen streichen oder neue schaffen wolle. Mehr Stellen schaffen, um die viele Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen, will Merz, insbesondere in der Sozialabteilung, „wohin Menschen mit großen Nöten kommen“. Zunächst analysieren, wie viele Leute überhaupt gebraucht werden, will Hardardt. Ad hoc würde er Stellen schaffen wollen im Service, also an der Kontaktstelle zum Bürger. Dazu würde er sich flexible Arbeitszeitmodelle wünschen, um großzügige Öffnungszeiten zu ermöglichen, auch am Samstag. Freude dürfte bei den Verwaltungsmitarbeitern Schwarz’ Aussage ausgelöst haben, der die Wochenarbeitszeit auf 12,4 Stunden begrenzen möchte, was zwangsläufig die Einstellung zusätzlicher Leute nach sich ziehen werde.

„Bürger sollten nicht vor verschlossenen Türen stehen“

„Eine seriöse Prognose ist von hier aus nicht möglich“, sagte Yüksel. Dazu bedürfe es einer guten Expertise. Er habe allerdings Rückmeldungen erhalten, dass es manchen Stellen nicht gut läuft, dass man nicht reinkommt. „Bürger sollen nicht vor verschlossenen Türen stehen.“ Brandl sagte, dass die neue Außenstelle in Kandel große Chancen birgt, ebenso wie die Digitalisierung und eine engere Zusammenarbeit mit den Verbandsgemeindeverwaltungen. Aber dieser angestrebte Wandel brauche zunächst mehr Personal. Aber alle diesbezüglichen Aussagen, gerade auch im Hinblick auf das geplante Bürgerbüro stünden unter dem Vorbehalt, dass nicht „von oben“ noch mehr Aufgaben auf die Kreisverwaltung zukommen.

Ja zum Schwimmunterricht

Weitgehende Einigkeit herrschte auf dem Podium, dass die freiwilligen Leistungen für die der Kreis pro Jahr rund zwei Millionen Euro ausgibt gut angelegtes Geld sind und beibehalten werden sollen. Gefördert werden unter anderem der Schwimmunterricht und die Schulsozialarbeit. „Schließlich sind die Kinder die Zukunft“, lautete der Tenor. Außerdem gelte es in frühen Jahren zu investieren, um später höhere Folgekosten zu vermeiden, so Merz.

Auch aus den Reihen der über 300 Zuhörer kamen mehrere Fragen an die Kandidierenden.
Auch aus den Reihen der über 300 Zuhörer kamen mehrere Fragen an die Kandidierenden.

Mit 64,5 Prozent ist die Kreisumlage im Kreis Germersheim die höchste im Land. Sollte man sie senken? Bei der Frage schlugen in den Kandidierenden zwei Herzen. Einerseits ja, um die teilweise finanziell stark belasteten Kommunen zu entlasten, die auch noch Verbandsgemeindeumlage zahlen müssen. Andererseits wird auch gesehen, dass der Kreis viel für die Infrastruktur tut, weiterführende Schulen unterhält, Kita-Personal bezahlt. Geld also, das den Kommunen direkt wieder zugute kommt. Ungeachtet dessen müssten die Geldströme untersucht, müsse geschaut werden, wo es Einsparpotenziale gibt, so Hardardt.

Alternative Energien

Wie Geld in die Kasse des hoch verschuldeten Landkreises gelangen soll, darüber gingen die Meinungen auseinander: Merz sprach sich für den Ausbau alternativer Energie aus, womit sich auf Zeit Kosten senken und Gewinne erzeugen ließen. Schattner sprach sich dafür aus, neben den zahlreichen großen Betrieben am Rhein verstärkt Kleingewerbe anzusiedeln, um die Gewerbesteuereinnahmen zu erhöhen.

Brandl gab zu bedenken, dass mehr Gewerbesteuereinnahmen gleichzeitig weniger Landeszuschüsse zur Folge haben und die Effektivität dieses Schrittes gen Null ginge. Vielmehr gelte es zu sparen und die Verwaltung zu modernisieren. Yüksel will den Wirtschaftsstandort attraktiv halten, für Menschen und Betriebe. Deshalb müsse in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung investiert werden. Zudem berge die Fachkräftegewinnung, gerade unter Migranten viel Potenzial.

Tische und Stühle warten darauf, dass sich die Türen öffnen, Zuhörer, Kandidaten und Moderatoren in die Festhalle strömen.
Tische und Stühle warten darauf, dass sich die Türen öffnen, Zuhörer, Kandidaten und Moderatoren in die Festhalle strömen.

Das gilt für die meisten Kandidierenden auch und gerade für den überstrapazierten Pflegedienst, wo laut Brandl der Mangel an Personal dazu führt, dass die Kapazitäten in Alten- und Pflegeheimen nicht voll ausgenutzt werden könnten, Zimmer leer blieben. Alle auf dem Podium waren sich einig, dass hier Abhilfe geschaffen werden muss, nicht nur beim Ärztemangel, der verstärkte Anstrengungen des Kreises erfordere. Ein lautes Raunen ging durchs Publikum, als Tauer sagte, dass 46 Prozent der 68 Hausärzte im Kreis über 60 sind. Hardardt sprach sich für einen Masterplan zur ärztlichen Versorgung aus.

Ärztemangel: Hoffen auf Stipendien

Brandl setzt unter anderem auf den regelmäßigen Austausch mit Medizinern für die die Region attraktiv gehalten werden müsse und auf Stipendien. Das befürwortet auch Schattner, ebenso den vergünstigten Zugang zu Immobilien. Merz will flexible Arbeitszeiten für Ärztinnen mit Kindern schaffen, um Beruf und Familie unter einen Hut bringen zu können. Wie einfach das Ärzteproblem zu lösen ist, weiß Schwarz: „Wenn die Leute nicht krank werden, brauchen wir weniger Ärzte. Mit unserem Programm ist das möglich.“

Schnellere Genehmigungsprozesse

Um die Energiewende in den Griff zu bekommen, wollen Yüksel und Merz Genehmigungsprozesse in der Verwaltung beschleunigen. Um Leute mit weniger Geld mitzunehmen, könnte auf Kreisebene eine Energiegesellschaft gegründet werden. Brandl will, wo möglich, Wasserflächen in die Energiegewinnung einbeziehen, wobei Schattner den Verbrauch wertvoller Ackerflächen zu dem Zweck ausschließt. Hardardt setzt auf dezentrale Lösungen wie Fotovoltaik. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass Energie bezahlbar bleiben muss, damit energieintensive Betriebe nicht abwandern.

Im Hinblick auf die zusätzlichen Güterzüge, die zumindest zeitweise entlang der Rheinschiene rollen sollen, sprachen sich alle dafür aus, frühzeitig für Lärmschutz zu sorgen und bei den Anwohnern um Verständnis zu werben. Schließlich sollen die Güter möglichst auf die Schiene, sagte Merz.

Und was sagt das Publikum zu dem Ganzen: „Ich wollte ganz einfach mal die Kandidaten live erleben. Ich kenne nicht alle“, sagte Ulrike Werling, SPD-Kandidatin für den Stadtrat Wörth, in der halbstündigen Pause, in der der FC Bavaria Wörth die Zuhörer bewirtete. Werling zeigte sich „überrascht über die Qualität einiger Kandidaten“. Nach Ansicht von Günter Lenske aus Rülzheim könnten vier der Kandidaten das Amt gut ausfüllen. Mit recht geringer Erwartungshaltung ist Sylvia Rupp aus Hagenbach gekommen. Sie wollte sich ein persönliches Bild von den Kandidaten machen. Landrat Brechtel sagte, es sei interessant, zuzuhören. Um schmunzelnd hinzuzufügen: „Ich habe einen Favoriten.“

Kurzportraits

Die Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge: Martin Brandl (CDU), 43 Jahre alt aus Rülzheim, Kreistagsmitglied und Geschäftsführer CDU-Landtagsfraktion. Volker Hardardt (FWG), 61 Jahre alt, Ortsbürgermeister von Lustadt und noch bis zur Rente im Herbst Mitarbeiter der BASF. Barbara Christina Merz (Grüne), 44 Jahre alt aus Maximiliansau, ist studierte Theologin und arbeitet als Fest-/Trauerrednerin und nach einer Ausbildung zur Kunsttherapeutin in einer Rehaklinik für Suchtkranke. Bernd Schattner (AfD), 56 Jahre, aus dem Kreis Südliche Weinstraße, ist gelernter Verwaltungsmann und seit 2021 Bundestagsabgeordneter. Nicolas Schwarz (Die Partei), 27 Jahre alt aus Neupotz, ist Industriekaufmann. Ziya Yüksel (SPD), 53 Jahre alt, ist Gemeinderatsmitglied in Kuhardt, Vorsitzender des Kreis-Beirats für Migration und Integration, Vertrauensmann der Gewerkschaft IG BCE und arbeitet bei der BASF.

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