Geschichten aus der Geschichte Stadtbefestigung stürzt ein

Der Heerführer Generalmarschall Henry de la Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne (1611 – 1675).
Der Heerführer Generalmarschall Henry de la Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne (1611 – 1675).

Der Dreißigjährige Krieg sorgte für mehrfach wechselnde Herren. Die Zerstörung und Niederbrennung Germersheims durch französische Truppen erfolgte letzlich 1674. Doch schon zuvor gab es großes Leid.

Die noch im Jahr 1674 im Druck erschienenen „Relationis Historicae“ berichteten dazu: „Unterdessen war durch einen zu Heidelberg gewesenen Officier von Philippsburg am Thor berichtet [worden], daß die beyde Königl. Frantzösische General Lieutnanten de Rochefort und de Vaubrun, der eine mit seinen in Lothringen, der ander aber mit denen im Elsas gestandenen Trouppen, unversehen in dieser Nachbarschafft anlangen würden, welches auch also bey wenigen Tagen im Werck erfolgt, in dem auß Germersheim underm Dato 17. Febr. glaubhafft überschrieben worden, welcher Gestalt oben gedachte beyde Königl. Frantzösische General Leutnante, mit beyhabenden Völckern, sich in die Chur-Pfältzische Dorffschafften dieses Ober-Ampts, wie auch den Seebeldinger [Siebeldinger] Thal einlogirt, die Land und andere Bediente, auch Unterthanen und Angehörige gefangen genommen, und sonsten allerhand hostilitäten und Feinseligkeiten verübet, under dem blossen Argwohn und Vorwenden, als ob deß Pfaltzgrafen Churfürstliche Durchlaucht sich mit Ihre Kaiserlicher Majestät, gegen des Königs in Frankreich Interesse, in einige Bündnus eingelassen hätte: Auch darauff so schnell und unvermuthet, und da man sich dessen am wenigsten versehen, vor diese Statt [Germersheim] gerückt, solch mit eilff [elf] Squadronen zu Pferd, welche man des Tags wohl zehlen, und des Nachts an den Feuern abnehmen können, berennt, und dergestalt bestellet, daß der darin verordnete Land-Ausschuß nicht hinein kommen können“.

Der kommandierende Marquis de Vaubrun forderte den kurpfälzischen Oberamtmann zu Germersheim, Johann Nikolaus von und zu Cronberg, auf, sich in sein Feldlager zu begeben. Dieser entschuldigte sich jedoch, indem er den französischen Generalleutnant darauf hinwies, dass er ohne ausdrücklichen Befehl seiner Herrschaft die Stadt nicht verlassen dürfe und bat darum, man möge sich „bis auf erhaltene ordre“ gedulden, worauf man ihm mitteilte, „daß sie auf die Statt loß gehen wollten“.

Turm fällt ein

Unter dem Vorwand, dass man die Stadt Germersheim für den französischen König besetzen müsse, um der durch den Kurfürsten geplanten Übergabe an den Kaiser entgegenzuwirken und sich zudem dieses in der Nähe von Philippsburg liegenden, strategisch wichtigen Ortes zu bemächtigen, nahmen die französischen Truppen die Stadt Germersheim ein. Hierbei kam ihnen zu Gute, dass aufgrund des Hochwassers, das die außerhalb der Stadtmauern verlaufende Queich zu diesem Zeitpunkt führte, der in die Stadtmauer eingelassene Turm beim Mühltor und der Hirtzhornturm, von den Wassermassen offenbar unterspült, „über einen Hauffen“ fielen und einstürzten, womit der Wert der Stadtbefestigung in diesem Bereich stark beeinträchtigt war, „welches die Ursach gewesen seyn mag, daß sich die Statt den Frantzosen sobald ergeben“.

Wie berichtet wird, rissen die zusammenfallenden Türme auch fünf Personen mit in die Tiefe, von denen man drei, als es wieder Tag wurde, noch aus den Ruinen retten konnte. Allerdings starb einer der Geretteten schon bald darauf an den erlittenen Verletzungen. „Die andere 2 sind vermuthlich under den Steinen ligen blieben“, stellte der von Jacob Franz wiedergegebene Bericht dazu lapidar fest. Auch ein Teil der Stadtmauer hinter der Fauthei (dieses Gebäude, Dienstsitz des kurpfälzische Fauths, lag am Kirchenplatz), war eingefallen, offenbar ebenfalls aufgrund des Hochwassers, da sich zwischen dem Lauf der Queich in der heutigen Klosterstraße und dem ehemaligen Woog in der Nähe des Ludwigstors ein Seitenarm der Queich hinzog, den man abgeleitet hatte, um daran eine Schleifmühle zu betreiben. Auch dieser Umstand beschleunigte offensichtlich die Übergabe der Stadt.

Beute nach Landau gebracht

Im März 1674 wurden zahlenmäßig starke Truppen, die zuvor im Elsaß und in Lothringen gestanden hatten, in das Gebiet der Kurpfalz verlegt, „durch welches dieselbe leider! erbärmlich zugerichtet worden“. So rissen französische Truppen schon bald in Germersheim Mauern und Wälle nieder, legten Minen unter dem großen Thurn bey der Mühle“ an, „Lug ins Land genannt“, den man am 18. März sprengte und damit zum Einsturz brachte. Im Anschluss transportierte man Schwarzpulver und Munition, Lebensmittel und Leitern, die man in Germersheim vorgefunden hatte, nach Landau und kündigte dabei an, dass das Germersheimer Schloss ebenfalls bald untergraben und gesprengt werden würde, während ein Teil der Truppen damit beschäftigt war, mit „Schueppen [Schaufeln], Hacken und Liechtern unter die Erden“ zu gehen und die für die Anbringung der Minen erforderlichen Gänge zu graben.

In der Folgezeit wurden daher drei Sprengladungen am Schloß, an dessen Standort die heutige Schloßstraße erinnert, angebracht, wie auch am Hexenturm, unter dem man ebenfalls eine Mine vergrub. Über den Zustand der Stadtmauer wurde zu diesem Zeitpunkt berichtet, dass die Mauern zum größten Teil „umb die Statt gantz abgeworffen“ worden waren, so dass man an verschiedenen Stellen durch die entstandenen Lücken direkt in die Stadt hineinlaufen konnte.

Kranke müssen Spital verlassen

Das kurpfälzische Spital, in dem kranke und altersschwache Pfründner gepflegt und versorgt wurden, nutzten die Franzosen nun für ihre eigenen kranken oder verwundeten Soldaten, so dass man den bisherigen Bewohnern befahl, ihre Zimmer zu räumen: „nunmehr haben die alte[n] Spitalmänner und arme Pfründner auch entweichen müssen, denn sobald die Frantzosen herinkommen, haben sie ihre krancke[n] Soldaten in den Spital, und in der Pfründner Bette und Gemächer gelegt, diese arme bresthaffte [gebrechlichen] Leut aber in einer grosse[n] Stube zusammen gesperret, allwo sie gleichsam wie das Viehe übereinander ligen müssen“. Während man den Bewohnern des Spitals zunächst noch trockenes Brot und etwas Wein verabreichte, wurde dieses Minimalversorgung schon bald völlig eingestellt und die „Spitalmänner“ und Pfründner letztlich endgültig des Gebäudes verwiesen, was die französischen Offiziere mit der Feststellung kommentierten, das Hospital gehöre nicht mehr Kurpfalz, sondern dem König von Frankreich, und Brot und Wein könnten die kranken Soldaten des Königs schließlich auch genießen.

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