Geschichten aus der Geschichte Nach Einriss der Mauern folgt das Feuer

Erst im 18. Jahrhundert erholte sich Germersheim langsam wieder von den Zerstörungen des 17. Jahrhunderts. Hiervon zeugen nicht
Erst im 18. Jahrhundert erholte sich Germersheim langsam wieder von den Zerstörungen des 17. Jahrhunderts. Hiervon zeugen nicht zuletzt auch die Stadtratsprotokolle.

Der Dreißigjährige Krieg sorgte für mehrfach wechselnde Herren. Die Zerstörung Germersheims durch französische Truppen erfolgte 1674. Und es hieß: „Dergleichen grossen schaden und thyrannei sonst keinem ohrt wiederfahren“. Doch schon zuvor gab es großes Leid (Teil 4 und Ende)

Während der Besetzung Germersheims im Jahr 1674 sprengten die französischen Truppen mehrere Türme der Befestigung. Zuvor wurden Gänge gegraben und Sprengladungen gelegt. Die Sprengladungen (Minen) unter dem Hexenturm wurden denn auch gezündet, doch zeigte dies keinen sonderlichen Effekt, da das Mauerwerk dieses Turms sich durch den Druck der Sprengung zunächst nur „eine halbe Spanne“ (eine Spanne umfasst 22 – 28 cm, eine halbe Spanne maß demnach zwischen 11 und 14 cm) weit öffnete und dann wieder schloss. Am Boden, wo man die Minen platziert hatte, gab es dagegen ein großes Loch. Daraufhin steckten die Franzosen das Holzwerk (Balken und Holzaufbau des Wehrgangs etc.) des Turms in Brand, so dass schließlich, nachdem der Turm ausgebrannt war, nur noch das bloße Mauerwerk übrigblieb. Am nächsten Tag wurde auch die Mine unter dem Schlossturm (dem „Bergfried“ der mittelalterlichen Burg), in die man 642 Pfund Schwarzpulver gepackt hatte, angezündet, was aber auch keine nennenswerte Wirkung auf die Standfestigkeit des Turms zeigte, „daß nicht einmal ein Ziegel auf dem Tache davon bewegt worden war“. Auch weitere Versuche, die Mauern des Schlosses mit Sprengladungen zu brechen, zeigten nicht den gewünschten Erfolg. Von dem Versuch, die im Schloss liegende Kirche zu sprengen, ließ man daraufhin ab.

Waffen über den Rhein gebracht

Auch der „Palas“, das Haupt- und Wohngebäude des Schlosses, „worinnen Ihre Churfürstl[iche] Durchl[aucht], wenn Sie dahin kommen, logiren gewohnt“, sollte am 1. April zerstört werden, indem man versuchte, die Holzstützen, die man außen an dem baufälligen Gebäude angebracht hatte, wegzureißen, was aber nicht gelang bzw. nicht zum Einsturz des Gebäudes führte, so dass man „ohnverrichter Sache davon ablassen müssen“. Die Stadtmauer sowie die Mauern um das Schloss herum wurden eingerissen, standen danach aber noch mannshoch. Alles, was man noch an schweren Waffen und Munition („Geschütz und Ammunition“ ) vorfand, brachte man im Anschluss nach Philippsburg.

Den Besitz der Festung Philippsburg nutzten die französischen Truppen, um am 21. April 1674 von dort aus mit 150 Mann den „Wörth“, einen auf einer Rheininsel vor Germersheim gelegenen Hochwald, wohin sich kurpfälzische Untertanen aus den umliegenden Dörfern geflüchtet hatten, anzugreifen. Die Bauern hatten sich zunächst zwar gewehrt „und dapfer Feuer auf die Frantzosen gegeben, bis diese endlich Meister worden, der Bauern etliche erlegt“ und die übrigen dazu brachten, sich ins Wasser zurückzuziehen, wo sie zweifellos ertrunken wären, „wenn ihnen nicht einige Hülff geschehen wäre“. Daraufhin brachten die Franzosen alles, was ihnen noch brauchbar erschien, auf ein Schiff, das Vieh trieb man durch eine geeignete Stelle im Fluss nach Philippsburg, „und also großen Schaden gethan, da doch in dem 30jährigen Krieg die Leute ihre Sachen erhalten [gerettet] haben“.

Straßenpflaster als Baumaterial

Nachdem man die Mauern der Stadt bereits auf Mannshöhe niedergerissen und die Türme ausgebrannt hatte, machte man am 25. Juli 1674 das Maß voll, als Truppen unter Generalmarschall Turenne die Stadt anzündeten und vollständig niederbrannten. „Was vom Feuer nicht verzehrt werden konnte, wurde demoliert“ berichtete Probst. Man riss die Türme, Mauern und Keller ein, sogar das Straßenpflaster wurde ausgebrochen, und die Steine als Baumaterial nach Philippsburg geführt. „Dergleichen grossen schaden und thyrannei sonst keinem ohrt wiederfahren“. Der Chor und der untere Teil des Langhauses der katholischen Kirche bildeten die einzigen größeren baulichen Überreste des alten Germersheim aus der Zeit vor dem großen Stadtbrand des Jahres 1674.

Der Brand der Stadt im Jahr 1674 hatte nicht nur die Bausubstanz der Stadt, die durch den vorausgegangenen Dreißigjährigen Krieg bereits stark gelitten hatte, nahezu völlig vernichtet, sondern auch die Burg, einst „ein Fürstlich und Keyserlich werck“, fast vollständig zerstört. Infolge dieses traumatischen Ereignisses hatte sich die verbliebene Bevölkerung wohl aus der nun kaum mehr bewohnbaren Stadt geflüchtet, denn nach 1674 finden sich nur noch wenige Einwohner innerhalb der zerborstenen Mauern, die bereits vor dem großen Brand am Ort gewohnt hatten. Zu ihnen gesellte sich eine nach und nach in die Stadt gezogene „gantz neuwe burgerschaft“. Es dauerte bis in das Jahr 1718, bis die Bevölkerung Germersheims wieder die Zahl von 800 Einwohnern erreicht hatte und damit dennoch deutlich unter der des ausgehenden 16. Jahrhunderts lag (ca. 1200).

Rechte und Privilegien zurückerhalten

Im Frieden zu Ryswick (20. Dezember 1697) hatte man Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1690-1716) alle kurpfälzischen Länder, insbesondere auch die Stadt und das Oberamt Germersheim in dem Umfang zugesprochen, wie sie durch den Westfälischen Frieden den Pfalzgrafen restituiert worden waren. In Fortsetzung der seit dem Mittelalter bestehenden Gepflogenheit, der Stadt durch den jeweiligen Landesherrn ihre hergebrachten Rechte und Privilegien zu bestätigen, aber auch, um Germersheim eine „Verfassung“ zu geben, die das Stadtleben regelte, erneuerte der Kurfürst ihre Privilegien.

An der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert schien die Stadt die Folgen der Katastrophe des Jahres 1674 zumindest in Teilen überwunden zu haben. Die mit dem Jahr 1700 einsetzenden Ratsprotokolle belegen, dass wieder regelmäßig Stadtratssitzungen abgehalten wurden, bei denen man die Angelegenheiten kommunaler Selbstverwaltung im Rahmen der bestehenden Rechte behandelte. Das öffentliche Leben verlief in geordneten Bahnen, der Zuzug neuer Bürger verstärkte sich. Auch konnten die spärlich fließenden Einnahmen der Stadt dazu verwendet werden, um notwendige Bauvorhaben zu realisieren, wie z. B. den Bau eines Wachhauses oder die Erneuerung zahlreicher Brunnen im Stadtgebiet.

x