Kaiserslautern Tödliche Schläge: Gefilmt statt geholfen

Am Altenhof erinnerten im Januar viele Menschen mit Blumen und Kerzen an den verstorbenen Martin Gaschk.
Am Altenhof erinnerten im Januar viele Menschen mit Blumen und Kerzen an den verstorbenen Martin Gaschk.

Ein Triumphschrei gellt über den Platz, eine Filmsequenz hält den Augenblick fest: „Worldstar“ („Weltstar“) hat ein 19-Jähriger jubelnd gebrüllt, als in der Nacht zu Heiligabend der 32-jährige Martin Gaschk nach Schlägen an den Kopf zu Boden gegangen ist. Das Opfer starb knapp zwei Wochen später. Die mutmaßlichen Schläger, 15 und 18 Jahre alt, müssen sich ab heute (9 Uhr) vor dem Landgericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten.

Ein junger Mann, der mit ihnen unterwegs war, ist bereits zu Jugendfreiheitsstrafe verurteilt worden – ohne Bewährung. Der Schrei ist kaum verständlich, der inzwischen 20-Jährige muss den Wortlaut erklären. „Worldstar“ – so rufe man eben bei einem Knockout, erklärt er. Er gehörte zu jener Gruppe, die in der Nacht zu Heiligabend 2016 in der Kaiserslauterer Innenstadt unterwegs war. Der junge Mann hat mit seinem Smartphone auch Augenblicke des Zusammentreffens am Altenhof festgehalten. Dort war die Gruppe kurz vor Mitternacht am ehemaligen französischen Kasino auf den 32-Jährigen getroffen. Es kam zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der 32-Jährige von Schlägen an den Kopf getroffen wurde. Er stürzte mit dem Kopf auf den Boden und zog sich schwerste Schädelverletzungen zu. Er starb am 4. Januar, ohne zuvor das Bewusstsein noch einmal erlangt zu haben (wir berichteten ausführlich). Inzwischen ist offenbar geworden, dass die Gruppe Jugendlicher und junger Männer an jenem Abend vor allem eins im Sinn hatte: Streit zu suchen und körperliche Gewalt anzuwenden. Das geht aus den Aufzeichnungen hervor, die der 20-Jährige angefertigt hat. Unter anderem hat er das am Boden liegende Opfer per Smartphone gefilmt. Stattdessen Hilfe zu holen, das kam ihm offenbar nicht in den Sinn. Das hätte der andere, der später Verstorbene, umgekehrt für ihn ja auch nicht getan: So hat er gegenüber seiner Mutter sein Tun gerechtfertigt.

Beweismaterial selbst gefilmt

Unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung und Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist der 20-Jährige, der im Donnersbergkreis lebt, vor zwei Wochen am Amtsgericht in Rockenhausen zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsentzug gemäß Jugendstrafrecht verurteilt worden. Das Jugendschöffengericht konnte sich auf Beweismaterial stützen, das der junge Mann selbst geliefert hat. Er hat den Abend und die Nacht über das Tun der Gruppe kommentiert. Aus den Aufzeichnungen, die die Polizei dem Smartphone hatte entnehmen können, geht hervor, was auch heute Bestandteil der Anklage ist: Noch vor dem Vorfall am Altenhof hat es mehrere gezielte Schläge gegen andere Passanten gegeben. „Suchen Stress“, hat der 20-Jährige via Smartphone mitgeteilt. Und von „Knockouts“ berichtet. Es ist ein Protokoll der Schande, das die Strafverfolger haben anfertigen können. Ein Polizist berichtete als Zeuge, wie die Gruppe vorgehe: Demnach suchten die jungen Männer die Konfrontation. Komme es zu Wortwechseln, kreise die Gruppe ihr Opfer ein. Sie lasse dann eine Lücke, durch die hindurch einer das Opfer attackiere. Dabei werde dem Eingekreisten auch mit den Füßen voran in den Rücken gesprungen. Als Angreifer habe sich vor allem der 15-Jährige hervorgetan, war Aussagen vor dem Gericht zu entnehmen.

Mann hilft Frauen – und wird zum Opfer

Am Altenhof soll das spätere Opfer zwei Frauen beigestanden haben, die von Mitgliedern der Gruppe „angemacht“ worden seien. Das habe den 32-Jährigen ins Visier der jungen Leute gerückt. Nach den Schlägen und dem Sturz des Opfers hat keiner aus der Gruppe Hilfe geholt, das hatten erst andere Passanten übernommen. Die Gruppe hatte sich in Richtung Shopping-Mall davongemacht. Dort hatte die Polizei die Verdächtigen recht schnell ausgemacht und sie kontrolliert. Einige hätten das sehr lustig gefunden, sagte ein Polizist vor Gericht. Weil die Beamten den Verdächtigen so schnell auf die Spur gekommen waren, war es ihnen auch gelungen, die Smartphones sicherzustellen. Bei dem Prozess in Rockenhausen hatte die Staatsanwältin anklingen lassen, es sei wohl der Betrachtung wert, ob den Begleitern der mutmaßlichen Schläger „nur“ unterlassenen Hilfeleistung anzulasten sei oder ob sie sich nicht womöglich der Mittäterschaft schuldig gemacht hätten. Ohnehin läuft zumindest gegen einen ein weiteres Verfahren. Der 20-Jährige, der gefilmt hat, hatte sich von seinem besten Kumpel 35.000 Euro aushändigen lassen und das Geld für ihn in die Türkei transferiert, dafür nach eigener Aussage 50 Euro kassiert. Laut einem Polizisten steht im Raum, dass der Kumpel das Geld einer alten Frau weggenommen hat.

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