Kaiserslautern Jenseits der deutschen Perspektive

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Zwei Filme, die über Deutschland hinausführen – nach Mali und Aserbaidschan – komplettieren den Wettbewerb des 12. Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen. Die Dokumentation „Mali Blues“ erzählt davon, wie sich Musiker in dem afrikanischen Land gegen Islamisten stellen. „Holy Cow“ ist eine inszenierte dokumentarische Parabel über die Angst vor dem Fremden und vor Veränderung.

„Ein Volk, ein Ziel, ein Glaube: Mali“, singt Fatoumata Diawara zu Anfang und zum Finale der starken Doku „Mali Blues“ des in Köln lebenden Regisseurs Lutz Gregor. Der Film porträtiert die 34-Jährige, die schon als Jugendliche nach Frankreich ging, beim Versuch, jetzt in ihrer wahren Heimat Mali wieder Fuß zu fassen. Und zu verzeihen. „Ich lebe mit dem Schmerz und schenke anderen Freude“, sagt die Sängerin, die entsetzt ist über den Einfluss der Dschihadisten in ihrer Heimat, die jegliche Form von Musik verboten hatten. „Ein Leben ohne Musik kann ich mir nicht vorstellen.“ Der Film zeigt sie vor allem vor einem Festivalauftritt mit anderen Musikern aus Mali: dem Ngoni-Spieler Bassekou Kouyaté, der die westafrikanische Lautenmusik erneuert, dem Rapper Master Soumy und dem Tuareggitarristen Ahmed Ag Kaedi. Für das „Festival du Niger“ im malischen Ségou arbeiten die vier Anfang 2015 an Songs, die in allen Sprachen der verschiedenen Ethnien des Landes zu Zusammenhalt und Frieden aufrufen. „Wir können uns als Musiker nicht von Hass ernähren“, sagt Kouyaté. Ahmed Ag Kaedi wirkt niedergeschlagener. Der Tuareg aus Kidal im 2013/14 islamistisch besetzten Nordmali hat alles verloren, seine Instrumente, sein Zuhause. Und er wurde bedroht: Man würde ihm die Finger abschneiden, kehrte er zurück. Master Soumy dagegen lässt sich seine Musik nicht verbieten: „Vergewaltigen, misshandeln, foltern, töten – erklär mir deinen Islam!“, heißt es im Refrain eines seiner Raps, der Missstände ganz direkt anprangert. Und: „Sie sagten, sie kämpfen für Gott. Sie haben aber einen Pakt mit Satan.“ Doch nicht nur gegen Engstirnigkeit im Glauben und für einen weltoffenen Islam treten die Musiker ein. Gerade Fatoumata Diawara hat eine ganz andere Agenda: „Ich singe für alle Frauen der Welt“, sagt sie. Ihre Texte sind aber vor allem Appelle an ihre Landsleute: Eine Frau sollte ein selbstständiges, gewaltfreies Leben führen können, ist ihre Botschaft. „Sie wollten mir einen Mann geben, doch ich wollte ihn mir lieber selbst aussuchen“, lautet ein Text der alleinerziehenden Mutter. Als sie im Film in ihr Heimatdorf zurückkehrt, aus dem sie ihre Verwandten einst vertrieben haben, wird jedoch klar, dass sich die Strukturen nur schwer ändern lassen. Sie singt für die Frauen über das Leid der Beschneidung. Alle nicken zustimmend, wollen aber an der grausamen Praxis festhalten. Die Begründungen sind diffus. Fatoumata Diawara will aufklären. Mädchen sind auch intelligent, können studieren, regt sie an und hält den Tanten eine schreckliche Statistik vor: Die Hälfte der Todesfälle bei Frauen in Mali gehe auf Beschneidungen zurück. „Wir haben doch unsere Würde“, insistiert sie. Verbittert aber ist Fatoumata Diawara nicht. Sie hat sich ein Haus in Mali gebaut, will ihrem Land beim Wiederaufbau helfen und dem Sohn Gitarrespielen beibringen. Unterkriegen lässt sie sich nicht und singt in „Mon Afrique“: „Ich bin stolz, Malierin zu sein.“ Lutz Gregors Musikerporträt strahlt Hoffnung und Zuversicht aus, beeindruckt mit schlüssiger Dramaturgie, klugem Schnitt, exquisiten Bildern und der hoch rhythmischen Musik aus dem Land, das als Wiege des Blues gilt: ein Anwärter auf den Publikumspreis. „Holy Cow“ dagegen hat im Wettbewerb eigentlich nichts zu suchen. Der Film überzeugt weder handwerklich noch dramaturgisch. Der aserbaidschanische Regisseur Iman Hasanov will in seinem für Arte Deutschland entstandenen Film eine Parabel erzählen: Ein einfacher Bauer aus dem Hochland Aserbaidschans will eine schwarzbunte Kuh kaufen, ein europäisches Tier, das mehr Milch geben soll als einheimische, um seine Familie besser ernähren zu können. Die Alten im Dorf sind dagegen. Sie haben Vorurteile gegen diese fremde Kuh, sie werde Krankheit bringen, Traditionen zerstören: Hasanov hat hier vor allem ein Gleichnis im Sinn. Die Kuh steht für die Angst vor der Moderne, vor Zuwanderern, vor Europa. Leider spielen seine Protagonisten wenig glaubwürdig. Doch in heutigen Zeiten ist ein Plädoyer für den Zusammenhalt Europas und Offenheit gegenüber anderen Kulturen auch kein Fehler. Termine —„Mali Blues“: heute, 18 Uhr, Samstag, 18 Uhr, Sonntag 16 Uhr. —Verleihung Filmkunstpreis: morgen, 20 Uhr. —Verleihung „Goldener Nils “der RHEINPFALZ-Kinderjury für den besten Kinderfilm im Festivalprogramm: Sonntag, 13 Uhr

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