Politik Zur Sache: Ratlosigkeit bei der CSU

Der Abend war aufregend und kurz die Nacht, aber egal: Gestern Morgen stehen Ministerpräsident Markus Söder und sein Innenminister Joachim Herrmann schon wieder in Passau. Einen Festakt gibt’s dort zur „Neugründung der Bayerischen Grenzpolizei“. Hat alles mit dem aktuellen Asylstreit nichts zu tun, versichert Herrmann. Tatsächlich: Die eigenständige weiß-blaue Grenzsicherung, die hat Söder schon bei seinem Amtsantritt als Ministerpräsident vor 100 Tagen angekündigt, da war die Koalition in Berlin frisch im Amt, und Friede herrschte auf Unions-Erden. Söders Kritiker halten die Grenzpolizei für Etikettenschwindel, denn neu gegründet wird da fürs erste eigentlich gar nichts; es werden nur 500 Beamte, die bisher als Schleierfahnder im Hinterland tätig sind, unter einem eigenen Kommando zusammengefasst. Und wie weit sie Befugnisse des Bundes übernehmen, ob sie an der Grenze selber kontrollieren und dort womöglich gar – à la Horst Seehofer – unerwünschte Gäste zurückweisen dürfen, das ist noch lange nicht ausgemacht. Herrmann sagt, er stehe „mit dem Bundesinnenminister in Kontakt“, um das zu klären. Dass CSU-Chef Seehofer in jenem Moment Bundesinnenminister ist, das weiß man. Aber wer wird es in ein paar Tagen sein? Gar nichts mehr ist sicher in einem Bundesland, das die seit 60 Jahren dort herrschende Partei als den Hort der Sicherheit darstellt. Um 1 Uhr nachts sind der CSU-Vorstand und die Bundestagsgruppe der Partei auseinandergegangen, geflüchtet geradezu: husch, husch, nur weg nach zehn Stunden Sitzung! Dabei weiß niemand so recht, wie der Stand der Dinge ist und wie alles ausgehen wird. Um 22.45 Uhr etwa hat Seehofer gesagt, er könne ja gehen als Bundesinnenminister und als Parteichef. Das war natürlich die Bombe des Abends. In dieser Radikalität hat das die CSU-Vorständler geschockt. Um 1.46 Uhr bestätigt Seehofer vor Journalisten: „Ich habe gesagt, dass ich beide Ämter zur Verfügung stelle, dass ich das in den nächsten drei Tagen vollziehe.“ Davor aber solle es doch „noch mal einen Zwischenschritt geben zur Verständigung mit der CDU“; einen „Einigungsversuch, alleine zu der einen zentralen Frage: Grenzkontrolle und Zurückweisung“. Das sei als „Entgegenkommen“ seinerseits zu verstehen, schließt Seehofer. Am Morgen danach will aus der Führungsriege der CSU keiner so richtig reden. Katzenjammer, irgendwie. Fragezeichen überall. Verstimmung da und dort: Dass der Machtpolitiker Seehofer gerne spielt, wissen alle. War das mit dem Rücktritt und Doch-nicht-Rücktritt alles wieder nur Show? „Hätte nicht sein müssen“, sagt eine Teilnehmerin, die einen „faden Beigeschmack“ noch zwölf Stunden danach nicht loswird. Sie haben dem Parteichef laut applaudiert für seine Härte im Streit mit der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie haben Seehofers „Masterplan Migration“ in aller Form beschlossen, um dem Autor den stärkstmöglichen Rückhalt zu geben. Nur einer in der mehr als hundertköpfigen Runde habe dagegen gestimmt, so heißt es. Aber am Tag danach wird auch klar, dass die Debatte im CSU-Vorstand nicht ganz so einstimmig kämpferisch war: Die Aufrufe zur Mäßigung in der Attacke und zu pragmatischerem Vorgehen waren zahlreicher als zuerst dargestellt. Wenn’s, wie behauptet, um die Sache gehe – so entsprechende Wortbeiträge –, dann müsse man bei einem Kompromiss mit Merkel „keinen Gesichtsverlust befürchten“. Vielleicht, so hört man nach der Sitzung auch, habe der Spieler Seehofer endgültig gemerkt, dass er sich bei seinem Rachefeldzug gegen Angela Merkel „hoffnungslos verzockt“ habe. Da wollte er mit einem Rücktritt die Schmach einer Entlassung vermeiden.

x