Politik „Unüblich, unerwünscht und nicht akzeptabel“

Mit großer Empörung, aber diplomatischer Zurückhaltung reagiert Österreich auf den umfassenden Lauschangriff des Bundesnachrichtendienstes (BND). Die Regierung in Wien fordert von Deutschland rasche Aufklärung und volle Kooperation.

„Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“, tadelte Angela Merkel 2013 noch den US-Geheimdienst NSA nach dessen Lauschangriff auf ihr Handy. Jetzt bekommt die deutsche Kanzlerin ihre eigene Aussage aus Wien fast wortgleich zurück: „Das Ausspähen unter befreundeten Staaten ist nicht nur unüblich und unerwünscht, es ist auch nicht akzeptabel“, so Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu den jüngsten Berichten über die Spitzelaktivitäten des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) in Österreich. Dass der BND benachbarte Staaten überwacht, ist in Wien seit Jahren bekannt. Überraschend ist allerdings das Ausmaß, das Bundeskanzler Sebastian Kurz als „enorm“ bezeichnet. So wurde zwei österreichischen Medien – der Tageszeitung „Der Standard“ und dem Wochenmagazin „Profil“ – eine Liste von 2000 abgehörten Zieladressen (E-Mail, Telefon, Mobiltelefon, Fax) zugespielt, die eine systematische Überwachung vermuten lässt. Quelle: unbekannt, aber angeblich aus Deutschland. Im Visier standen vor allem 75 Botschaften in Wien – darunter jene der USA, Russlands, Israels, Irans, Iraks sowie Nordkoreas –, zudem internationale Organisationen mit Sitz in Wien (IAEA, OSZE). Ausgespäht wurden demnach auch das österreichische Bundeskanzleramt, die Ministerien für Äußeres und Finanzen; islamische Einrichtungen, Banken und Universitäten, Niederlassungen internationaler Konzerne sowie heimische Rüstungsproduzenten wie die global erfolgreiche Firma Glock, Steyr-Mannlicher (Gewehre) und Hirtenberger (Munition). Auch Medien wurden angezapft, etwa die Austria Presse Agentur (APA). Die abgefangenen Informationen wurden mit anderen Geheimdiensten, allen voran der NSA, geteilt. Das geht aus einer Liste der sogenannten Selektoren (Suchbegriffe) hervor. Die Wiener Regierung berief umgehend eine Krisensitzung ein. Bei der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz zeigten sich Bundespräsident Van der Bellen und Bundeskanzler Kurz sichtlich empört, waren aber zugleich um diplomatische Zurückhaltung bemüht. Beide forderten eine „rasche und volle Aufklärung“ sowie volle Kooperation der deutschen Regierung. Im Raum steht immerhin auch der Vorwurf der Wirtschaftsspionage zum Nachteil Österreichs. Die Frage, wie sehr die Spionagetätigkeit des BND die Beziehungen der eng befreundeten Nachbarn belaste, beantwortete Van der Bellen mit sichtlichem Unbehagen: „Jetzt warten wir erst einmal ab, wie die deutschen Behörden reagieren…, dann sehen wir weiter.“ Er gehe davon aus, dass Berlin zu einer „vollständigen Klärung bereit“ sei. Für die Zurückhaltung gibt es Gründe. Die BND-Lauschoperation beschränkt sich auf die Jahre 1999 bis 2006. Bislang habe man keine Erkenntnisse, so Kanzler Kurz, „dass die Überwachungen danach fortgesetzt wurden“. In Deutschland würden mittlerweile schärfere Regeln für den BND gelten. Das Ausspähen befreundeter Staaten sei aber „auch vor zehn Jahren nicht richtig gewesen“, so Kurz. Bekannt sind der Wiener Regierung die umfangreichen Lauschaktivitäten des BND erst seit 2015 durch einen Bericht des „Spiegel“. Das Innenministerium schaltete damals die Wiener Staatsanwaltschaft ein, die aber inzwischen die Ermittlungen „gegen Unbekannt“ wieder eingestellt hat. Begründung: mangelnde Kooperation der deutschen Behörden.

x