Meinung Streiks: Eine neue Eskalationsstufe

Wegen des Streiks des Bodenpersonals der Lufthansa werden erneut viele Flüge gestrichen werden.
Wegen des Streiks des Bodenpersonals der Lufthansa werden erneut viele Flüge gestrichen werden.

Wer in den kommenden Tagen mit der Bahn verreisen oder mit der Lufthansa fliegen will, dem droht viel Ungemach.

Wenn’s um Prinzip geht, wird es bekanntlich häufig schwierig. Auch dem Konflikt zwischen der Deutschen Bahn (DB) und der Lokführergewerkschaft GDL liegt ein prinzipieller Streit zugrunde: Die GDL fordert die Einführung der 35-Stunden-Woche für bestimmte Beschäftigtengruppen und ist, was das Ausmaß der Reduzierung angeht, offensichtlich auch nicht kompromissbereit. Die DB lehnt eine solch weitreichende Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit prinzipiell ab, verweist dabei auf hohe Kosten und heute schon fehlendes Personal. An dieser Ausgangslage haben auch mehrwöchige Verhandlungen hinter verschlossenen Türen unter Beteiligung von zwei erfahrenen Vermittlern nichts geändert.

Den Millionen Pendlern und Reisenden, die in der zweiten Wochenhälfte und absehbar auch darüber hinaus wieder von Streiks bei der DB betroffen sein werden, mag und kann das alles herzlich egal sein. Sie sind erneut Leidtragende einer Auseinandersetzung, in der die Konfliktparteien seit Monaten unter Beweis stellen, dass sie unfähig sind. Unfähig, ihrer sich aus dem hohen Gut der Tarifautonomie ergebenden Verantwortung gerecht zu werden und für eine zugegebenermaßen schwierige Aufgabe endlich eine Lösung zu finden. Das kommt einem Armutszeugnis gleich.

Seit Beginn der Tarifrunde setzt die GDL auf Streit und Streik

Die DB muss sich dabei die Frage stellen lassen, weshalb bei ihr nicht möglich sein soll, was die GDL inzwischen mit Dutzenden Wettbewerbern erreicht hat: eine Vereinbarung unter Einbeziehung einer Arbeitszeitverkürzung – wobei diese Vereinbarungen allerdings erst gültig werden, wenn auch DB und GDL ein entsprechendes Abkommen erzielt haben.

Die GDL ihrerseits setzt seit Beginn der Tarifrunde auf Streit und Streik und versäumt keine Gelegenheit, um über die DB-Verhandler und zugleich das gesamte Management des Konzerns herzuziehen. Mit der Ankündigung ihres Vorsitzenden Claus Weselsky, künftige Streiks nicht mehr vorher anzukündigen, zündet die Gewerkschaft die nächste Eskalationsstufe. So wird Bahnfahren endgültig unkalkulierbar. Weselsky selbst betont, damit sei die Bahn „kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr“. Solche in den Augen der von den Streiks Betroffenen nur noch zynisch klingenden Äußerungen verstärken den Eindruck, dass es längst nicht mehr um die Sache geht, sondern letztlich darum, den Gegenüber in die Knie zu zwingen – auch um den Preis, große Teile der Bevölkerung zu drangsalieren und einem ganzen Verkehrssystem unübersehbaren Schaden zuzufügen.

Nicht genug der Hiobsbotschaften

Damit nicht genug der Hiobsbotschaften. Nicht nur auf der Schiene, auch bei der Lufthansa wird sich am Donnerstag und Freitag kaum etwas bewegen. Anders als die GDL, die die Verhandlungen mit der DB für gescheitert erklärt hat und ihre Mitglieder bereits über einen im Extremfall unbefristeten Arbeitskampf abstimmen ließ, ruft Verdi „nur“ zum Warnstreik auf. Der soll allerdings volle zwei Tage dauern. Wer so agiert, sollte sich nicht wundern, wenn sich irgendwann der Gesetzgeber oder die zuständigen Gerichte regulierend einschalten.

Rechte wie das so eminent wichtige Streikrecht gehen unabdingbar einher mit Pflichten und Verantwortung. Wer diesen Grundsatz missachtet und immer wieder ohne Rücksicht auf unbeteiligte Dritte die Grenzen des Erlaubten austestet, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit auch jenen Argumentationshilfen liefert, die die Rechte von Gewerkschaften und Beschäftigten ohnehin gerne beschneiden würden.

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