Politik NRW-Wahl: Klartext von Kraft und Laschets Respekt

Der Wahlabend in Düsseldorf: Abrupt endet die Karriere von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, und die von Wahlsieger Armin Laschet geht jetzt erst richtig los. Aber der CDU-Mann weiß, dass die Koalitionsverhandlungen schwierig werden. Denn die FDP treibt jetzt schon den Preis in die Höhe.

Die „Armin, Armin“-Rufe wollen nicht enden, als der designierte CDU-Ministerpräsident nur 20 Minuten nach Schließung der Wahllokale das Podium in seiner Landesparteizentrale betritt. Armin Laschet strahlt mit dem prallen Scheinwerferlicht um die Wette. „Heute ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen“, ruft er seinen euphorisierten Anhängern zu, die sich zum Teil mit Sekt zuprosten. „Wir wollen nicht mehr Schlusslicht sein, wir wollen an die Spitze der deutschen Länder.“ Die CDU habe ihre beiden Wahlziele erreicht: „Wir haben Rot-Grün abgelöst und sind stärkste Partei.“ Bei den Sozialdemokraten herrschen Depression und Schockstarre. Die SPD-Anhänger haben sich in der Düsseldorfer Altstadt im Saal einer Brauereigaststätte versammelt. Trotzig rühren sie ihre Hände zum Beifall, als ihre abgewählte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das Podium betritt. Die 55-Jährige spricht gleich Klartext. „Es hat nicht gereicht. Wir haben das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler nicht mehr gewinnen können.“ Dafür übernehme sie die politische Verantwortung und trete mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern als SPD-Landesvorsitzenden und stellvertretende Bundesvorsitzende zurück. Damit wolle sie ihrer Partei „die Chance auf einen Neuanfang“ eröffnen. Sie habe ihr „Bestmögliches“ versucht, sagt Kraft sichtlich angefasst, „aber ich habe sicher auch Fehler gemacht“. In den Gesichtern der Genossen macht sich Betroffenheit breit. Einige können ihre Tränen nicht unterdrücken. Dies ist das Ende der politischen Karriere von Hannelore Kraft, die Nordrhein-Westfalen sieben Jahre lang als Ministerpräsidentin mit einer rot-grünen Landesregierung regiert hat. „Das hat die Hannelore nicht verdient“, wimmert eine ältere Sozialdemokratin. Doch das Minus für die Sozialdemokraten spricht eine deutliche Sprache. Dass Kraft für die SPD-Niederlage die persönliche Verantwortung übernehme, nötige ihm „großen Respekt“ ab, sagt Wahlsieger Laschet in dem dichten Gedränge auf den Landtagsfluren, als er seinen Marathon durch die zahlreichen TV- und Hörfunkstudios absolviert. Laschet hat den Wahlkampfmodus längst verlassen und schaut Richtung Regierungsbildung. Die Koalitionsmöglichkeiten sind begrenzt, weil Grüne und Freidemokraten im Vorhinein eine Jamaika- oder Ampelkoalition kategorisch ausgeschlossen hatten. „Es wird alles für alle schwierig“, ahnte der CDU-Spitzenkandidat bereits wenige Tage vor der Wahl. Mit der FDP wären die Koalitionsverhandlungen für Laschet vermutlich nicht allzu schwierig. Auf der FDP-Wahlparty kennt der Jubel keine Grenzen. Mit über zwölf Prozent haben die Liberalen doppelt so gut abgeschnitten wie sie derzeit bei Umfragen im Bund verortet werden. Spitzenkandidat Christian Lindner demonstriert vor seinen Anhängern Eigenständigkeit: „Ich bin nicht der Wunschpartner von Herrn Laschet, und er ist nicht unserer Wunschpartner.“ Beide Parteien hätten im Wahlkampf vor allem in Wirtschafts- und Bildungspolitik unterschiedliche Positionen vertreten und einander Wähler abgeworben. Eine schwarz-gelbe Mehrheit heiße nicht, dass es eine schwarz-gelbe Regierung gebe, beharrt Lindner. Er will offenbar den Preis für die Koalitionsverhandlungen hochtreiben. Noch am Wahltag haderten die Liberalen mit dem CDU-Spitzenkandidaten. „Es ist schwach, dass die CDU nicht die SPD, sondern uns attackiert hat“, sagte FDP-Fraktionsvize Joachim Stamp. „Offenbar will Laschet lieber eine große Koalition als einen richtigen Politikwechsel mit der FDP.“ Stamp soll der neue starke Mann der FDP in Düsseldorf werden, da Lindner nach seiner Phantom-Kandidatur in NRW gleich nach Berlin in den Deutschen Bundestag durchstarten will. Die Grünen feiern ihre Wahlparty in einem hippen Café an der Rheinpromenade. Unter den Parteimitgliedern herrscht eine Stimmung aus Erleichterung und Enttäuschung. Wenigstens das Schlimmste ist nicht eingetreten, der Absturz unter die Fünf-Prozent-Hürde. „Wir haben einen sehr schweren Abend“, sagt Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, „da gibt es nichts zu beschönigen.“ Die Grünen seien von den Wählern offenbar als „Blockierer“ und „Ideologen“ wahrgenommen worden. Schließlich hätten sie nur ihre Stammwähler mobilisieren können. Löhrmanns Politik als Schulministerin war sehr umstritten. Von ihren innerparteilichen Gegnern wird der grünen Frontfrau „Realitätsverlust“ und „Selbstherrlichkeit“ vorgeworfen. Unter diesem Druck hat Löhrmann ihre politischen Ambitionen offenbar aufgegeben. Sie strebe in Zukunft keine politischen Ämter mehr an, sagt sie am Wahlabend.

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