Politik Leitartikel: Fremde oder Freunde

SPD und FDP hadern mit ihrer Haltung gegenüber Russland. Wie soll man

mit Putins Machtanspruch umgehen? Was ist besser: Sanktionen oder

Entgegenkommen? Die Antwort ist unbefriedigend: sowohl als auch.

Willy Brandt hat verstanden, eiserne Konsequenz zu verbinden mit

immer neuen Dialogangeboten.

Man merkt immer, wenn es bei der SPD ernst wird. Es ist der Moment, in dem Willy Brandt ins Feld geführt wird. Wie hätte Willy das gemacht?, fragen sich die Genossen und erinnern sich an die große Zeit des einstigen SPD-Kanzlers, als dieser mit Entspannungspolitik eine Tür nach Osten aufstieß. Es wirkt befremdlich, wenn dieser Tage der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende und jetzige Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann sich zu der Aussage bemüßigt fühlt, Russland sei „nicht unser Feind“. Hat das jemand behauptet? Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland waren schon einmal besser, so viel ist richtig. Aber eine Eiszeit ist nicht angebrochen. Vielfältig sind die wirtschaftlichen Beziehungen in das Riesenreich, intensiv sind die diplomatischen Begegnungen. Ohne Russland ist praktisch keine Krise der Welt zu lösen – weder die Bedrohung Israels durch Iran noch die Nachkriegsordnung in Syrien. Doch Russland ist ein schwieriger Partner. Mit der Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine und der Annexion der Krim hat Putin die auf die territoriale Unversehrtheit basierende Friedensordnung in Europa gefährdet. Die Rückkehr Russlands zu einer Politik des „Rechts des Stärkeren“ ist ein Rückschritt. Inwieweit der Kreml in Computer-Attacken auf europäische Institutionen und die Morde an Putin-kritischen Journalisten oder den russischen Ex-Spion Skripal involviert ist, bleibt unklar. Die Indizien weisen Richtung Moskau. Dies alles anzusprechen und Russland unter anderem „Aggression“ und „zunehmend feindseliges Verhalten“ vorzuwerfen, erlaubte sich der sozialdemokratische Außenminister Heiko Maas zu seinem Amtsantritt. Für eine nicht kleine, vorwiegend ostdeutsch geprägte Gruppe innerhalb der SPD beging Maas damit einen Tabubruch: Soll sich doch die Kanzlerin mit Putin anlegen, wir Sozialdemokraten beschwören den Dialog mit Moskau, lautet deren Credo. Schließlich hätte Willy Brandt genauso gehandelt. Maas musste sich für seine Haltung, die von jener seiner Vorgänger Gabriel und Steinmeier abweicht, vor dem SPD-Parteivorstand rechtfertigen – ein ungewöhnlicher Vorgang. Aufsehen erregte auch eine zum „Machtkampf“ hochstilisierte Meinungsverschiedenheit in der FDP-Spitze. Parteichef Christian Lindner wandte sich gegen den Vorschlag seines Stellvertreters Wolfgang Kubicki, dass der Westen einseitig und ohne eine Gegenleistung auf Sanktionen verzichtet. Denn das würde den Hardlinern im Kreml in die Hände spielen. Und selbst Lindner bemühte in seiner Argumentation die Ostpolitik Brandts. Denn dieser habe es verstanden, eiserne Konsequenz einerseits zu verbinden mit immer neuen Dialogangeboten andererseits. Nur diese Doppelstrategie habe es vermocht, die Ost-West-Konfrontation zu entschärfen. Nichts anderes steht übrigens im Koalitionsvertrag, den Union und SPD beschlossen haben. Dort ist von einem Abbau der Sanktionen die Rede, sobald Russland (und auch die Ukraine) ihre Verpflichtungen aus den Minsker Vereinbarungen erfüllen. Insofern agiert der Sozialdemokrat Maas auf der Grundlage der gemeinsamen Regierungsvereinbarung – aber auch auf der Grundlage des gesunden Menschenverstandes. Hier kommt wieder Willy Brandt ins Spiel. Der hat nämlich einmal gesagt, die SPD müsse „die Partei des donnernden Sowohl-als-auch“ sein. „Rigorosität hat nichts mit dem richtigen Leben zu tun, mit der Politik auch nicht“, ergänzte einer seiner Nachfolger einmal, es war Sigmar Gabriel. Und da hatte er recht.

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