Coronavirus Länder akzeptieren „Notbremse“ ungern
Berlin. Der Bundesrat ließ am Donnerstag bei einer Sondersitzung in Berlin die Änderung des Infektionsschutzgesetzes passieren. Sie gibt dem Bund mehr Befugnisse bei der Bekämpfung der Pandemie, die bisher allein den Ländern und Kommunen vorbehalten waren. Auch wenn die Länder keinen Einspruch erheben, üben einzelne dennoch deutliche Kritik an dem Gesetz, das von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier laut Bundespräsidialamt umgehend unterzeichnet wurde. Das Gesetz muss zum Inkrafttreten jetzt nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.
Die „Notbremse“ soll dafür sorgen, dass in jedem Landkreis bundesweit die gleichen Regeln gelten, wenn dort die Zahl der Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner den Wert von 100 an drei aufeinanderfolgenden Werktagen übersteigt. Dazu zählen unter anderem Kontaktbeschränkungen, Schließungen von Geschäften und Freizeiteinrichtungen sowie eine nächtliche Ausgangssperre. Sie gilt zwischen 22 und 5 Uhr. Eine Ausnahme gibt es bis Mitternacht für Einzelpersonen, die zum Joggen oder Spazieren ins Freie gehen.
„Tiefpunkt in der föderalen Kultur“
Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) kritisierte die Kompetenzverlagerung in der Pandemiebekämpfung auf den Bund durch das Infektionsschutzgesetz scharf. „Der heutige Tag ist für mich ein Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt im Bundesrat. Es dränge sich die Frage auf, „worin der Mehrwert dieses Gesetzes für die Menschen in Deutschland liegt gegenüber der im vergangenen Jahr im Grundsatz bewährten Abstimmung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen.“
Unterdessen ist gegen das neue Infektionsschutzgesetz bereits die erste Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingegangen. Auch die FDP, die Freien Wähler und die Gesellschaft für Freiheitsrechte wollen gegen das Gesetz klagen.
Ende der Impfpriorisierung in Sicht
Ein Ende der mangels genügend Impfstoff nötigen Impfpriorisierung scheint indes näher zu rücken. Nachdem einige Bundesländer die Priorisierung beim Impfstoff Astrazeneca aufgehoben haben und dieser dort jedem Impfwilligen nach einem Vorgespräch zur Verfügung steht, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Bundesrat, dass knapp die Hälfte der über 60-Jährigen in Deutschland schon mindestens einmal geimpft sei.
Vor diesem Hintergrund geht Spahn „Stand heute davon aus, dass wir im Juni die Priorisierung werden aufgeben können“. Weiter sagte er: „Wenn es früher ist, bin ich froh. Wir sollten aber keine Erwartungen wecken, die nachher enttäuscht werden.“