Politik In Goldgräberstimmung

Knapp viereinhalb Monate vor Beginn der Fußball-WM in Russland herrscht leichte Torschlusspanik. „Alle Zimmer ausverkauft, alles besetzt“, meldete Radio Kommersant FM dieser Tage aus Hotels in Saransk, Wolgograd und Jekaterinburg. „In den WM-Städten geht der Wohnraum zu Ende.“ In allen Austragungsstädten wuchern die Preise, nach Angaben der Staatsagentur Rosturism haben sich einige Hotels 40-fache Preissteigerungen erlaubt. Noch dreister kalkulieren die Vermieter privater Wohnungen. So wird auf booking.com eine Wohnung in Saransk für zwölf WM-Nächte zu umgerechnet 35.000 Euro angeboten. „Kaufen wäre billiger“, räsoniert Wadim Prassow, Vizepräsident des Gaststätten- und Hotelbesitzer-Verbandes Russlands. Aber er versichert: „Es wird niemand auf der Straße übernachten müssen.“ Beobachter in Russland erwarten bis zu 1,5 Millionen ausländische und gar 15 Millionen russische WM-Touristen. Die wirklichen Zahlen werden viel niedriger sein. Nach Ansicht Sergei Kolesnikows vom Moskauer „Alliance Hotel Management“ wird der Markt selbst den Preis wieder drücken: „Viele Leute sehen die Wahnsinnsforderungen auf booking.com, legen sich den Zeigefinger an die Stirn und bleiben zuhause, um die Spiele am Fernsehen zu verfolgen.“ Dazu hat der Staat inzwischen Höchstpreise für Hotels festgelegt, 529 Dollar für ein Drei-Sterne-Übernachtung in Sankt Petersburg, 197 Dollar in Saransk … 41 Anbieter, die mehr forderten, landeten schon auf einer Schwarze Liste von Rosturism. Es sei nicht gerade gerecht, dass der Staat die Hotelpreise reglementiere, nicht aber die Preise für Privatzimmer, sagt Prassow. Er rät ausländischen Fans, sich wie ihre Mannschaften eine „Basis“ zu suchen. „Am besten buchen sie für die ganze Zeit ein preiswertes Hotel in einer touristisch und kulturell interessanten Stadt wie Jaroslawl oder Wladimir am Goldenen Ring, mit Schnellzugverbindungen zum Hauptspielort Moskau.“ Zu sehr vielen Spielen im Landesinneren könnten sie von Moskau kostenlos per Nachtzug anreisen, ohne vor Ort übernachten zu müssen. Als provinziellster WM-Ort gilt Saransk, die Hauptstadt der Republik Mordwinien, 500 Kilometer östlich von Moskau. „Große Zelte mit Betten, mit Duschen, WC und Kantinen“, verspricht Julia Alexandrowa vom lokalen Organisationskomitee. „Im Grunde ein Hotel der Nullsterne-Klasse.“

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